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Authentisch sein: Was es dir für dein Business bringt

Isabel Reinhard gibt Tipps
Text: Carina Rother
Fotos: Lisa Oeffner - loxe photos
17.11.2022
Isabel Reinhard
Authentisch sein – für die meisten Menschen ist es schwieriger, als das es locker von der Hand geht. Dafür gibt es Gründe, die uns Isabel Reinhard, Gründerin von breathe release, erläutert. Good News: Authentizität lässt sich lernen und trainieren. Wie? Das und warum authentisch sein wichtig für dein Business ist, erfährst du jetzt.

Isabel, warum ist authentisch sein wichtig? Welche Vorteile hat es?

Einer Person geht es besser, wenn sie authentisch ist, weil sie ihre Wahrheit lebt und ihrem tieferen Ziel im Leben folgt. Wir sind auf dieser Welt, weil wir uns oder dem großen Ganzen etwas geben möchten. Das können wir nur, wenn wir genau wissen, wo wir stehen, was wir tun und wer wir sind.

Und authentisch sein schafft Nähe und Verbindungen. Danach sucht die Gesellschaft. Im Business-Kontext bedeutet das: echte, menschliche Kund*innen der gewünschten Zielgruppe. Auch verbindet man sich leichter mit Menschen, die auf einer Wellenlänge sind oder wenn sie das nicht sind, können sich Menschen mit einer Person identifizieren oder mit einer Eigenschaft dieser Person, weil sie sich die im tiefsten Inneren oft auch für sich wünschen.

Es geht bei Verbindung nicht darum, immer das Gleiche zu wollen wie unser Gegenüber, sondern zu erkennen, wer wir sind und dies einordnen zu können, über das authentisch sein.

Warum fällt es schwer, authentisch zu sein?

Weil es nicht einfach ist. Es macht verletzlich. Es ist vor allem am Anfang viel Arbeit. Wir alle haben Verschiedenes erlebt – gesellschaftlich oder aber in der Art, wie wir aufgewachsen sind. Das prägt und da will hingeschaut werden - denn dadurch haben wir unsere Ureigene Authentizität oft verlernt - oder gelernt, sie abzumildern, um reinzupassen.

Denn authentisch sein heißt nicht, sich das Leben schön zu reden oder zu denken. Nein, es geht um die Wirklichkeit, um Echtheit und das macht auch verletzlich. Wenn man es nicht gelernt hat, reflektiert zu sein oder in einem authentischen Umfeld aufgewachsen ist, ist es viel Arbeit bis man (wieder) authentisch lebt. Es braucht einfach ein großes Maß an Selbstreflexion auf dem Weg zum Ziel. Wache Wahrnehmung, Präsenz und Mut zur Verletzlichkeit.

Man braucht Mut zu erkennen, wer man mit allen Facetten ist und auch den Mut zu verstehen, wo man steht.

Was ja auch damit zusammenhängt, dass man anderen Menschen gefallen möchte, oder?

Genau das ist der People Pleasing Moment. Diesen haben wir natürlich inne, es ist ja ein Urinstinkt, nicht aus Gruppen ausgeschlossen zu werden. Deshalb fällt es so vielen Leuten schwer, sich authentisch zu zeigen. Dazu kommt: Peer Pressure gibt es bereits in unseren frühen Lebensjahren, ob in der Kindheit oder in der Jugend. Wer aus der Reihe tanzt, ist aufgefallen und das kann den Druck, angepasst zu sein, erhöhen. Dabei heißt authentisch zu sein, nicht zwangsweise ein Paradiesvogel sein zu müssen oder sehr auffällig zu sein.

Authentizität ist das gelebte Selbst oder das gelebte Selbstbewusstsein.

Selbstbewusstsein teile ich wie folgt auf: Wer bin ich, wo stehe ich, wer kann ich sein wenn alles möglich wäre und wie trägt sich das nach außen? Wenn ich das verstehe, kann ich mich immer authentischer nach außen zeigen und tue das in der Regel auch. Ich kann dann aushalten, wenn das jemandem nicht gefällt und kann auch in die Kommunikation gehen und mich selbst vertreten. Das ist natürlich manchmal anstrengender, als von allen gemocht zu werden und allen gerecht zu werden. Aber das gehört dazu, wenn man authentisch leben möchte. Es zahlt sich aus, weil man dann die Dinge tun kann, die man machen möchte und sich mit den Menschen umgibt, die einander wirklich gut tun.

Umgekehrt: Wenn man sich selber nicht treu ist, zahlt man immer einen hohen Preis. Ob das irgendwann die Midlife-Crisis ist oder eine andere Art Ausflipper, weil man sich nicht gelebt hat. Es ist also für alle einfacher, wenn man Menschen sie selbst sein lässt.

Hast du einige selbstreflektierende Fragen und Tipps für unsere Leser:innen, wenn sie bereits bemerkt haben, dass sie sich noch nicht authentisch leben?

Wenn eine Person wirklich schon gemerkt hat, dass sie sich noch nicht lebt, dann darf sie gern in Bereiche fühlen, in denen das schon so ist. So kann dieser Bereich expandieren. Als Beispiel: Eine Person fühlt sich im Büro überhaupt nicht authentisch, geht aber einmal in der Woche reiten und fühlt sich auf und mit dem Pferd lebendig und authentisch. Jetzt kann man sich fragen:

  • Was ist da in diesem Moment, warum fühle ich mich hier authentisch?
    Das Gefühl kann man dann in den Alltag übertragen und Schritt für Schritt integrieren.
  • Woran merke ich, dass ich nicht authentisch bin?
    Das kann eine körperliche Komponente sein: Der Körper ist ganz steif und unbeweglich. Wann immer man dies bemerkt, kann man durchatmen und den Körper weicher werden lassen. Das wäre ein Anfang, ein erster Schritt.
  • Höre auf dich zu vergleichen – in der digitalen wie in der realen Welt. Authentizität ist nichts Vergleichbares.
  • Wie würde es mir gehen, wenn ich authentisch(er) wäre? Wohin bringt mich das? Wovor habe ich Angst momentan, warum halte ich mich wirklich zurück?

Bedeutet authentisch sein auch einzigartig sein?

Einzigartigkeit können wir uns gar nicht aussuchen. Grundsätzlich ist jeder Mensch individuell – ganz automatisch. Wir verschleiern es nur ganz gerne um gesellschaftlichen Regeln und Normen, offensichtliche oder silent agreements, zu entsprechen. Da ist es „einfacher“ eine Schiene zu fahren, eine ganz bestimmte Rolle auszufüllen. Wenn man dann aber etwas tut, was nicht dazu passt, ist diese Dualität für die Gesellschaft nicht gut greifbar. Für viele gibt es nicht sowohl als auch, sondern nur entweder oder.

Wenn wir alle ein bisschen mehr sowohl als auch wären, dann könnte jeder:r Einzelne:r von uns seine Einzigartigkeit mehr ausleben.

Dann kann jede*r seinen Platz in der Welt finden, auch wenn man weniger stenotypisch ist, denkt und lebt. Es gibt gesellschaftliche Normen, weil sie zu irgendeinem Zeitpunkt einmal förderlich waren. Man darf für sich schauen, ob diese für einen selbst förderlich sind oder eben nicht. Und wenn nicht, dann ist das auch richtig!

Würdest du sagen, dass Frauen Authentizität schwerer fällt als Männern?

Nein, aber Frauen bekommen nicht so viel Raum, alles auszuleben und vor allem nochmal mehr gesellschaftliche feste Rollen und Rahmen zugeteilt, nach wie vor. Nicht die Frau ist das Problem, sondern die Umwelt. Das finde ich sehr wichtig zu erwähnen. Darum habe ich auch Probleme mit Begriffen wie „Frauenempowerment“.

Es geht nicht darum, dass Frauen das „Problem“ sind oder keine Power hätten, was Empowerment irgendwie impliziert. Nein, es braucht mehr Raum für Frauen, auch mehr Raum, um sie ihr Ding machen zu lassen.

Gibt es einen Unterschied zwischen authentisch sein im Business und im Privatleben?

Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen persönlichen und privaten Themen. Wir leben in der Welt des Personal Brandings, deswegen ist es wichtig, im Business persönlich zu sein. Nahbarer und echter wird es immer stärker im beruflichen Kontext. Für das Business darf man eine Business-Persona haben, die man verkörpert. Sie ist eine Facette wie eine Schicht einer Zwiebel. Eine Rolle, selbst gewählt, selbst entdeckt und verkörpert.

Wenn ich generell authentisch bin und selbstbewusst bin, habe ich die Kontrolle, was ich wo zeige und das schenkt Freiheit. Da bedingt also das eine das andere.

Diese Persona, die man für sich kreiert, sollte sie bestimmte Eigenschaften mitbringen, um ein Business erfolgreich nach außen zu tragen? Wenn ja, welche?

Ich bin keine Freundin von Generalisierung. Es gibt nicht die eine Persona, die eine Lösung, die man über alle stülpen kann. Das ist aber ja auch gut zu wissen und wichtig zu lesen. Erfolgsgaranten und Generalisierungen bauen genauso Druck auf. Sie würden es natürlich einfacher machen, aber so ist der Weg nun einmal nicht.

Was zunächst wichtig ist, um die Persona zu kreieren:

  • Sich mit sich bewusst befassen: No-Go und Go-Go-Listen sind eine tolle Möglichkeit, um sich selbst bewusst zu machen, was man zeigen möchte und was nicht.
  • Klar sein: In der Kommunikation, indem wie man ist, Fehler eingestehen können – und dabei muss man sich nicht nackig machen, aber man darf weich & menschlich sein

Was gehört zu authentischer Kommunikation?

Ich finde, da darf man sich generell einmal mit Kommunikation auseinandersetzen. Empathisches Zuhören ist ein Baustein. Man kann zum Beispiel nur authentisch sein, wenn man authentisch präsent ist. Erst dann kann man besser zuhören und einschätzen, wie die Personen um einen herum sind und darauf wiederum sehr gut eingehen.

Klar sein ist der zweite Baustein: Klare Sätze formulieren, auf den Punkt kommen, sich nicht für alles entschuldigen. Lange Sätze vermeiden und sagen, was man meint. Das können viele nicht, weil sie gelernt haben, dass es einfacher und sicherer ist, sich zu entschuldigen und vorsichtig zu kommunizieren, eben nicht so viel Raum einzunehmen. Sich selbst zu positionieren ist ebenfalls sehr authentisch – auch in der Kommunikation ohne „hätte“, „würde“, „könnte“. Ohne etwas vorwegzunehmen, was gegebenenfalls im Raum stehen kann.

Welche Rolle spielt Stimme dabei?

Stimme ist ebenso wie Körpersprache ein Tool, dass ich in meinen Coachings und für mich nutze, weil es meine Expertise ist. Klarheit ist auch beim Embodiment sehr groß. Sind wir in unserem Körper zu Hause? Fühlen wir uns wohl in unserem Körper? Sind wir uns selbst bewusst? Oder ist all das nicht gegeben?

Mit der Stimme kann man den Körper beeinflussen: beruhigen oder selbstbewusster auftreten. Man kann aber auch an allem arbeiten, worüber wir heute schon gesprochen haben. Automatisch wird sich verändern, wie der Körper und die Stimme agieren. Wenn man mit sich im Einklang ist, wird die Stimme klarer, dann traue ich mir zu, mehr zu sagen, auf den Punkt zu kommen. Die Körpersprache wird offener.

Wenn man sich verschlossen zeigt, möchte man nicht verletzlich sein, möchte man nicht zeigen, was man vertritt.

Spannend, dass das Thema dual ist.

Ja, absolut. Ich hatte auch einmal eine Kundin, der es darum ging zu verkörpern, was sie schon aufgebaut hat. Sie erwartete, viele Übungen machen zu müssen, aber im Endeffekt haben wir geschaut, wo liegt die Authentizität, wo liegen ihre Themen, wie möchte sie durch ihr Business gehen. Durch die Klarheit in ihrem Inneren, ist sie auch klarer im Außen geworden und hat im Endeffekt ihr Business verkörpert.

Guter Hinweis an alle Leser:innen. 
Hast du Lust, deinen eigenen Weg zu teilen, wenn es ums authentisch sein geht?

Ich war auch als Kind, schon immer daran interessiert, worüber sich Erwachsene unterhalten oder machen. Da habe ich auch zu hören bekommen, dass es nicht okay ist, so zu sein: „Lass mal die Erwachsenen reden.“, „Es gehört sich nicht.“ etc. Das hat mich persönlich nicht extrem gebremst, aber natürlich irgendwas hinterlassen.

Ich habe mich oft gefragt: „Warum ist das so?“, „Warum darf man das nicht?“ Das hat schon also den Weg geebnet, den ich gegangen bin. Ich habe Operngesang studiert und singe schon sehr lange, das war also ein ganz organischer Weg. Ich wollte auf die Bühne, hatte schon immer Freude daran. Das war es aber auch für den Moment. Als ich dann gemerkt habe, wie extrem regelkonform und extrem oberflächlich das Opernbusiness oft läuft und gemerkt habe, dass das kein Umfeld ist, in dem ich mich entfalten kann so wie ich bin, wenn ich „Erfolg“ haben will, habe ich im Studium versucht, mich anzupassen. Ich habe es versucht, weil ich dachte, dass ich es müsste.

Zum Glück habe ich aber ganz schnell gemerkt: Das ist nicht the way to go für mich. Es fühlte sich für mich wie ein Käfig an, in den ich mich selbst gesetzt habe und das konnte es einfach nicht sein. So möchte ich nicht durch mein Leben gehen. Ich habe mich stattdessen gefragt: „Wie kann ich in diesem Rahmen der Opernwelt meine Authentizität ausleben?“ Ich habe Projekte gemacht, in denen das ging. Ich war ganz aktiv und habe innerhalb der Opern-Bubble geschaut, wo es Menschen gibt, die mir ähnlich sind, die auch so denken und mich mit denen verbunden und mich selbst so entfaltet.

Das hat mich auch für mein eigenes Business sehr geprägt.

Schade, dass das so ist. Im Moment stehst du gar nicht auf der Bühne, oder?

Nein, aktuell nicht. Bis Dezember 2021 habe ich noch gesungen und parallel mein Business geführt. Ich habe dann für mich gemerkt, dass es rein energetisch so nicht geht. Irgendwann wollte ich mich entscheiden.

Zum Thema Authentizität: Ich habe geschaut, was mir jetzt Freude macht. Wer ich JETZT bin und sein möchte.

Und das ist das, was ich jetzt tue. Ich liebe es. Ich mache meine Arbeit jeden Tag mit Freude und Energie. Es kostet mich weniger Kraft und Energie, als meinen Weg durchzuboxen in einer Welt, in der ich das auch lange gemacht habe. Das heißt nicht, dass ich es nie wieder machen möchte. Aber mir ist es wichtig, meiner Freude zu folgen.

Welche Wirkung hat authentisch sein auf andere Menschen? Was bewegt es bei anderen?

Wenn man authentisch ist, zeigt sich das immer in einem organischen Gesamtbild. Andere Menschen haben sofort das Gefühl von „diese Person weiß, wer sie ist, was sie tut“ und viele Menschen können das gar nicht genau bezeichnen. Viele merken das auch über ein Bauchgefühl. Generell ist es so, dass Menschen spüren, ob jemand bei sich ist oder nicht.

Und trauen sich dann auch selbst mehr, sich zu öffnen. Wenn dem nicht so ist, hat man das Gefühl, da ist was dahinter, aber man kommt nicht drauf. Die Person wirkt unsicher und diese Unsicherheit überträgt sich auch oft, sodass das Gegenüber sich fragt, ob sie/er daran Schuld ist. Das alles führt dann auch schnell zu Unklarheit und Konflikten.

Authentisch sein, kann man lernen und üben. Hängt es davon ab, wo man gerade steht, wie lang es dauert oder wie schwierig die eigenen Themen sind?

Es gibt kein 5-Schritte-Plan zum Ziel, weil es ein Persönlichkeitsentwicklungsprozess ist. Es kann Wochen, Monate und vielleicht auch Jahre dauern. Jeder Mensch hat seine eigenen Themen und Päckchen und das darf man akzeptieren und wissen. Das ist auch eine ganz spannende Reise, wenn man sich dem stellt. Authentizität wächst beim Hinschauen, immer ein Stück mehr.

Zurück zum Business: Heißt es, wenn man in seinem eigenen Business nicht authentisch ist, dass es langfristig nicht erfolgreich ist?

Das ist eine steile These, aber Fakt ist: Innerhalb des Unternehmertums hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Es gibt auf dem Markt sehr viele Menschen, die Marketing über Social Media betreiben. Es gibt so viele Menschen mit so viel Expertise, mit so viel Wissen und mit so vielen tollen Sachen. Warum ist es denn so, dass manche Menschen erfolgreicher sind als andere?

Alles Wissen und Können und jede Strategie bringt nachhaltig nicht weiter, wenn man nicht lernt, dieses auch zu verkörpern und zu zeigen – dafür einzustehen.

Ganz viele verschütten ihr Wissen und Können dadurch das sie nicht zeigen, was da ist. Wer sie sind. Dadurch das sie nicht echt sind, dass sie sich vergleichen und schauen, was bei anderen funktioniert. Dass kein ein kurzes Hoch geben, funktioniert aber nicht langfristig, weil es nicht passt. Menschen verbinden sich - mit Menschen. Nicht mit Schablonen.

Vielen Dank, Isabel für deine Zeit und das Teilen deines Wissens. Es war sehr spannend.

Wir haben Isabel schon einmal interviewt, wer Interesse hat, das Interview „Unser Atem: Ein magisches Tool“ zu lesen, klickt jetzt.

Authentisch sein: Was es dir für dein Business bringt - Isabel Reinhard gibt Tipps
Isabel ist Gründerin von breathe release. Sie ist Opernsängerin, Bühnendarstellerin und Mentorin für selbstBEWUSSTes Business. Das bedeutet Isabel unterstützt Frauen dabei, der eigenen Stimme zu folgen, den eigenen Weg zu gehen, den eigenen Raum einzunehmen und sich selbst authentisch zu verkörpern.