Der Alltag in einer „klassischen Familie“ ist schon stressig genug: Ab 6 Uhr morgens lächelnd im Einsatz, alle Wutanfälle überstehen, dann zur Arbeit, von dort fix zur Kita oder Schule – dann geht erst das Nachmittagsprogramm los, gefolgt von den oft zähen Stunden am Abend mit Fertigmachen und Einschlafritualen.
Wie soll das gehen, wenn man es ganz allein verantwortet? Vielleicht noch mit mehreren Kindern? Für viele Frauen ist es wohl eine Horrorvorstellung, alleinerziehend zu sein – dabei gibt es in dieser Situation durchaus Vorteile. Und eine Bloggerin beschreibt das alleinerziehende Leben sogar als „allerletztes Abenteuer unserer Zeit“. (Mehr dazu weiter unten.)
Schauen wir uns also an, was alleinerziehenden Mamas Mut machen kann – und warum sie vielleicht alleinerziehend, aber doch nie so richtig allein sind. Zuerst einige Fakten dazu: Dem Statistischen Bundesamt zufolge gab es im Jahr 2019 2,61 Millionen alleinerziehende Eltern. Wenig überraschend betrifft das vor allem Frauen: Rund 2,2 Millionen Mütter und nur 407.000 Väter waren in diesem Jahr diejenigen, die die alleinige Verantwortung für ihre Familie trugen.
Das zeigt nicht nur, wie viel hier noch in Sachen Gleichberechtigung zu tun ist – es bringt diese Frauen oft auch in eine finanziell schwierige Lage. Den Statistiken zufolge liegt die Armutsgefährdungsquote bei Alleinerziehenden mit einem oder mehreren Kindern bei über 40 Prozent: Das ist der höchste Wert bei allen Haushaltsarten im Vergleich. Es sind traurige Zahlen, die den Druck von Alleinerziehenden deutlich machen. Denn es geht eben nicht nur darum, rund um die Uhr da zu sein, Quatsch zu machen, zu trösten oder Pflaster zu kleben. Es geht auch um einen wahnsinnigen finanziellen Druck, um die Ein-Eltern-Familie gut durchs Leben zu bringen.
Wie schwer die Last wiegt, hängt natürlich auch davon ab, wie es zu der Single-Mum-Situation kam. Es gibt Frauen, die es von Anfang an allein durchziehen. Die vielleicht von einem One-Night-Stand schwanger wurden oder von einem Mann, der gegen das Kind war – und dann aus dem gemeinsamen Leben verschwand. Es gibt auch Frauen, die sich mit Hilfe von Samenspende oder ähnlichen Methoden dafür entscheiden, alleine ein Kind zu bekommen, weil der Partner fehlt, um den starken Kinderwunsch zu erfüllen.
Das sind Fälle, in denen von Anfang an klar ist, wie die Rollen verteilt sind – und in denen immerhin die schwere und schmerzhafte Phase der Trennung wegfällt. Das ist ein Punkt, der diesen Frauen Mut machen kann: Sie müssen ihre Kinder nicht durch die Zeit begleiten, in der sie plötzlich Trennungskinder werden. Oder das Gefühl, mit ihrem Familienmodell gescheitert zu sein, in all dem Alltagsstress noch bewältigen. Hier sind die Verhältnisse klar – die Herausforderungen gleichzeitig riesig.
Dann gibt es die weiter verbreiteten Fälle, in denen sich die Eltern irgendwann trennen. Sie merken, dass das angestrebte Familienglück nicht funktioniert, dass sie künftig eigene Wege gehen. Im Idealfall merken es beide gemeinsam und können die nächsten Schritte möglichst stressfrei gehen. Oder es folgt eine schmerzhafte Trennung, die viele Tränen verursacht und am Ende meist die Frauen mit den Kindern zurücklässt, wie die Statistiken zeigen. Dann bleibt die Frage, wie oft der Vater sich um die Kinder kümmert – und davon hängt ab, welche der folgenden mutmachenden Punkte zutreffen.
Was viele Menschen, die in funktionierenden Familien leben und mitleidig auf Alleinerziehende blicken, vergessen: Die wenigsten Beziehungen zerbrechen, weil sie so harmonisch und erfüllt abliefen. Oft gehen der Trennung jahrelange Konflikte voraus, ausgesprochen oder unausgesprochen. Sie belasten das Leben – und es kann eine Befreiung sein, sich von diesen zu lösen. Man muss sich nicht mehr über die Unzuverlässigkeit des Anderen ärgern. Nicht mehr ständig für eine weitere Person aufräumen oder sich abends im Bett fragen, wie es nur weitergehen soll. Oder wo der Partner ist, der längst zuhause sein sollte.
Beendet ein Paar eine unglückliche Beziehung, kann das eine Entlastung für die ganze Familie sein. Schließlich merken auch Kinder, wenn es zwischen den Eltern schlecht läuft – die glückliche Familie, von der man mal träumte, sieht anders aus. Ein Schlussstrich kann in dieser Situation also Ressourcen freisetzen: Emotional, mental und auch zeitlich. Nach der ersten harten Zeit kann sich die Mama mit ihren Kindern voll auf das konzentrieren, was wirklich zählt: Auf das gemeinsame Leben und das Glücklichsein.
Wer online nach Vorteilen von Alleinerziehenden sucht, wird schnell auf diversen Eltern-Websites und Blogs fündig. Ein paar Punkte, die oft auftreten:
Vor allem um den letzten Punkt geht es im Blog „Alleinerziehend macht stark“ aus dem das Abenteuer-Zitat zu Beginn des Textes stammt. Die Website wird betrieben von Sylvie, die mit zwei Kindern zusammenlebt und sehr offen über ihr Leben und die besonderen Herausforderungen schreibt. Die ganze Verantwortung sei hart, schreibt sie. Und: „Jede Entscheidung trifft man alleine, wie auch wirtschaftliche Seite alleine tragen, was einen enormen Energieaufwand bedeutet. Gerade auf Dauer wird der Akku immer leerer.“
Gleichzeitig schreibt die Bloggerin: „Ich bin an meinen Aufgaben wirklich groß geworden und innerlich reich. Ich weiß, dass nicht jede(r) so ein Glück hat, in dieser Konstellation leben zu dürfen.“ Das rückt den Blick vieler Menschen auf Alleinerziehende vielleicht in eine ganz neue Perspektive.
Weitere Blogs, die Ein-Eltern-Familien Mut machen und Inspiration für das Familienleben geben, sind zum Beispiel „Gut alleinerziehend“, „Alleinerziehend kann ich“ und „Getrennt mit Kind“. Diese Beiträge zeigen Mamas, dass sie mit ihren Gefühlen und Problemen nicht allein sind. Es entstehen ganze Communities, in denen sich Frauen austauschen und sich gegenseitig stärken. Wer im vollen Single-Mum-Leben also ein paar Minuten dafür hat, sollte unbedingt vorbeischauen.
Was aus all diesen persönlichen Berichten auch klar wird: Es gibt einige Techniken, die Alleinerziehenden helfen – und Strategien, die dich in dieser Situation besser durchs Leben bringen:
Beim letzten Punkt musste ich an eine Geschichte aus meinem eigenen Umfeld denken: Die Bekannte einer Freundin ist alleinerziehend mit zwei Kindern im Kita-Alter. Beide von verschiedenen Vätern, beide Papas „gibt es nicht“. Bitte keine weiteren Fragen, bitte kein Mitleid. Stattdessen erzählt diese Mutter davon, wie sie viel öfter ausgehe als andere Mama-Freundinnen. Die Kinder seien am Wochenende oft bei Oma und fänden das toll. Sie selbst habe dann eine gute Zeit: mit Dates, mit Sex, mit Abenteuern. Nicht selten bekommt sie bei diesen Erzählungen leicht neidische Blicke von Müttern, die in glücklichen, aber auch sehr klassischen Familienkonstellationen leben und die Wochenenden im Zoo und auf dem Spielplatz verbringen.
Wer noch mehr mutmachende Geschichten braucht, der kann sich in Buchhandlungen umschauen. Denn hier ist das Thema längst angekommen und es gibt viele Frauen, die ihre Geschichte vom Leben mit Kindern (und ohne Partner:in) berichten. Eine ist die Journalistin Caroline Rosales, die das Buch „Single Mom“ geschrieben hat und sehr offen über das Leben nach der Trennung vom Vater ihrer beiden Kinder erzählt.
Eher ein klassischer Ratgeber ist „Stark und alleinerziehend: Wie du der Erschöpfung entkommst und mutig neue Wege gehst“ von Dr. med. Alexandra Widmer. Der Titel zeigt schon: Alleinerziehende müssen nicht in der Opferrolle bleiben, sondern können sich ins Abenteuer wagen.
Und wenn wir es dann noch den Kindern von Alleinerziehenden einfacher machen wollen, können wir alle nach Kinderbüchern schauen, in denen Vielfalt gezeigt wird – auch mit Blick auf Familienmodelle. Es gibt zum Glück immer mehr Geschichten, in denen Kinder alleine mit Mama oder Papa leben, vielleicht auch mit zwei Mamas oder mit Mama und neuem „Bonus-Papa“. Wer Kindern von Beginn an all diese Möglichzeiten zeigt, sorgt dafür, dass sich das Bild von Alleinerziehenden etwas mehr normalisiert – und Single Mums neben all den täglichen Herausforderungen immerhin nicht das Gefühl haben, ein Sonderfall zu sein. Denn sie sind vielleicht alleinerziehend, aber nicht allein damit.