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Hochsensibel und selbstbewusst? Na klar!

Text: Julia Felicitas Allmann
Fotos: Mareike Behrens
15.06.2023
Dorith Kaiser, Coach für Hochsensible
Vielleicht fühlst du dich manchmal durch deine Hochsensibilität verunsichert oder andere Faktoren hemmen dich, voller Selbstbewusstsein durchs Leben zu gehen? Das muss nicht sein, denn du kannst auch hochsensibel UND selbstbewusst sein. Dorith Kaiser hat sich als Mentorin genau auf dieses Thema spezialisiert, und sie teilt hier ihre Erfahrungen und Strategien mit dir.

Wer als hochsensible Person in allen Bereichen für sich selbst und seine Bedürfnisse einstehen möchte, braucht der Expertin zufolge ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein – „aus diesem Grund setze ich mit meiner Arbeit genau dort an“, sagt Dorith. Auch sie selbst begann durch Kurse, Coachings und Mentorings, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, an ihrem Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu arbeiten.

„Ich habe nach und meine Definition von Selbstbewusstsein ändern dürfen“, sagt sie. „Früher waren für mich laute, durchsetzungsfähige und dominante Menschen selbstbewusst und ich habe viele Jahre versucht, dieses Verhalten zu adaptieren, um beispielsweise im Job erfolgreicher zu sein. Blöd nur, wenn das Gefühl im Inneren ein ganz anderes ist. Das hat bei mir damals dazu geführt, dass ich ziellos, frustriert und häufig hilflos war.“ Wer es schaffe, sich nicht von der eigenen Angst lähmen zu lassen, sondern mutig den eigenen Weg zu gehen, könne hingegen so viel im Leben erreichen.

Nimm deine Hochsensibilität als Stärke an

Step 1 für ein echtes Selbstbewusstsein als hochsensible Person: Die eigene Hochsensibilität erkennen. „Ich möchte hier jedoch jedem direkt die Angst nehmen, sich zwingend den Stempel „hochsensibel“ aufdrücken zu müssen“, sagt Dorith. „Ich erlebe es häufig, dass viele sich davor sträuben. Für ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein ist es jedoch ausschlaggebend, sich der eigenen Wesenszüge bewusst zu werden und in diesem Fall besonders über die individuelle Ausprägung der feinen Wahrnehmung und Verarbeitung. Je mehr du über dich selbst weißt und erfährst, desto bewusster bist du dir deiner Selbst.“ Wer die eigene Hochsensibilität erkennt, annimmt und als Stärke anerkennt, ist einem echten Gefühl von Selbstbewusstsein schon ein großes Stück nähergekommen.

Öffne dich deinem engen Umfeld

Wie offen und klar solltest du deine Hochsensibilität kommunizieren? Das hängt unter anderem davon ab, wie weit du auf deiner eigenen Reise bereits gekommen bist und wie stark dein Selbstbewusstsein ist. „Ich würde beispielsweise niemandem empfehlen, offen über die eigene Hochsensibilität zu kommunizieren, wenn keine Kenntnisse über die eigene Ausprägung der Hochsensibilität vorhanden sind“, sagt Dorith. „Wenn darüber hinaus das Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen im Keller sind, kann der Schuss recht schnell nach hinten losgehen.“ Schließlich ist es gut möglich, dass neugierige oder auch mal kritische Rückfragen zum Thema Hochsensibilität gestellt werden. „Und wenn du für diese nicht gewappnet bist, ist die Verunsicherung im Nachgang häufig noch größer.“

Deshalb ist es ratsam, sich erst selbst mit der eigenen Hochsensibilität auseinanderzusetzen und sich dann zunächst Menschen im engen Umfeld zu öffnen. Freund:innen und Familie können hier ein gutes Übungsfeld sein und für wertvolle Erfahrungen sorgen: „Wie so häufig erwartet uns, wenn wir uns mit verletzlichen Themen öffnen, eine besondere Tiefe und Verbundenheit.“ Auf dieser Basis kannst du deinen Radius, indem du selbstbewusst über deine Hochsensibilität sprichst, nach und nach erweitern und beispielsweise auch im Job offen damit umgehen. „Denn damit erreichen wir genau das, was mein persönlicher Herzenswunsch ist. Dass dieser Wesenszug bekannter wird, sehr viel mehr Menschen davon erfahren und auch der Blickwinkel auf diese Eigenschaft ein anderer wird.“

Heiße auch Selbstzweifel willkommen

Wer an sich selbst zweifelt, hat oft Probleme mit dem eigenen Selbstbewusstsein – dabei müssen diese Zweifel gar nicht als Störfaktoren angesehen werden. Dorith empfiehlt vielmehr, diese willkommen zu heißen: „Widerstand bringt uns häufig nicht weiter und verstärkt das Problem nur.“ Auch wenn viele Hochsensible ausgeprägte Selbstzweifel oder innere Kritiker:innen haben, sei das nicht unbedingt ein Problem: „Das macht hochsensible Menschen zu sehr reflektierten Personen. Anstatt die Selbstzweifel ablegen zu wollen, empfehle ich diese als eine Art Kompass zu betrachten, der uns aufzeigt, wo wir hinschauen dürfen und an welchen Themen wir arbeiten dürfen.“

Du kannst außerdem versuchen, deine Selbstzweifel und inneren kritischen Kommentare in einen liebevolleren Ton zu verpacken. Versuche dich in einer wohlwollenderen Sprache dir selbst gegenüber, „dann werden auch die Selbstzweifel mit der Zeit milder und vor allem konstruktiver“, weiß Dorith. „Der innere Kritiker wird von einem lauten und rüpelhaften Nervzwerg zu einem konstruktiven inneren Wegweiser. All das bedarf logischerweise Übung und Zeit und eine ordentliche Portion Geduld mit sich selbst.“

Praktische Tools für mehr Selbstbewusstsein

Genau so individuell wie du es bist, sind auch die Strategien, die zu dir passen und dir mehr Selbstbewusstsein schenken dürfen. „In erster Instanz ist es wichtig, sich die Zeit einzuräumen, in der du dich bewusst mit dir selbst auseinandersetzt“, sagt Dorith. „Und ob es in dieser Zeit das Journaling, eine stärkende Meditation oder eine kleine Dance Session morgens um 6:30 Uhr in der Küche ist, darf jeder für sich herausfinden.“

Sie empfiehlt in jedem Fall regelmäßige Atem-Übungen, die dir helfen, den Atem bewusst für dich einzusetzen. (Ein Thema, über das wir bei Genki bereits ausführlich geschrieben haben.) „Das hilft nicht nur in Stress-Situationen, sondern beruhigt und entspannt dich auf Dauer.“ Du kannst für dich Situationen und Orte definieren, an denen du immer wieder bewusst atmest – vor dem Spiegel, im Auto oder wo auch immer es für dich passt. „Wenn es eine Zeit lang regelmäßig durchgezogen wird, wird es schnell zur Routine“, sagt Dorith. „Einfach langsam tief einatmen, halten und noch ein wenig langsamer wieder ausatmen. Es gibt so viele tolle Atem-Übungen und allein diese sind so hilfreich.“

Schau auch auf deine Schwachstellen

Auch wenn es darum geht, dich selbst und dein Selbstbewusstsein zu stärken: Dorith empfiehlt, auch dort hinzuschauen, wo es mal nicht so gut läuft. „Ich bin zwar sehr großer Fan davon, sich auf die Stärken zu fokussieren und diese auszubauen. Und dennoch ist es meiner Meinung nach wichtig, auch die eigenen „Schwachstellen“ zu kennen und zu benennen“, sagt sie. „Jeder von uns hat Seiten an sich, die er nicht so gern mag oder Eigenschaften, die nicht so ausgeprägt sind wie gewünscht. Und das ist vollkommen okay. Das macht unseren Charakter schließlich aus und zu der Person, die wir sind.“ Zu einem echten Selbstbewusstsein gehöre es, diese Seiten genauso wie alle Stärken zu akzeptieren und anzunehmen.

Wenn du dir bewusst bist, wo mögliche Schwachstellen liegen, kannst du außerdem viel entspannter und liebevoller mit dir selbst umgehen, wenn in diesem Bereich mal etwas schiefläuft. „Und selbstverständlich ist es die Basis, um aktiv daran zu arbeiten und dir die Eigenschaften ins Leben zu holen, die derzeit noch nicht so stark ausgeprägt sind. Denn jeder von uns hat alles in sich und hat stets die Möglichkeit, an diesen Schwächen zu arbeiten.“

Sei gut zu dir selbst – und sei mutig!

Du hast Lust bekommen, jetzt auch selbstbewusster durchs Leben zu gehen? Dann hilft dir sicher diese Herzensbotschaft, die Dorith noch allen Hochsensiblen mit auf den Weg geben möchte: „Du bist wertvoll und wundervoll, so wie du bist. Dein Wert hängt weder von deinen Leistungen, deinem Aussehen oder deinen Beziehungen ab. Sei mutig und hüpfe regelmäßig aus deiner Komfortzone heraus, um festzustellen, dass deine Ängste nur in deinem Kopf sind. Sei gut zu dir selbst und lerne, dich selbst wie deine beste Freundin zu behandeln.“ Wenn du all das tust, könne deine Hochsensibilität zu einer der größten Stärken werden – wenn du es selbst zulässt.

Hochsensibel und selbstbewusst? Na klar!
Dorith Kaiser ist Mentorin für Hochsensible und verhilft ihnen in 1:1-Sessions zu echtem Selbstbewusstsein. Du findest wertvolle Tipps zur Stärkung deines Selbstbewusstseins und den Kontakt zu Dorith auf ihrem Instagram-Account @hochsensibel_selbstbewusst.