21.09.2023
Auch wenn der Begriff überall kursiert, ist doch unterschiedlich, was er bedeutet. Beginnen wir also mit dem Versuch, Coaching zu definieren. „Ich sehe Coaching als einen unterstützenden Prozess, bei dem ich als qualifizierter Coach eine Person dabei begleite, sich besser kennenzulernen, Ziele zu definieren, Herausforderungen anzugehen und persönliche oder berufliche Entwicklung zu fördern“, sagt Nina Payer. Sie lebt in Ebsdorfergrund und ist Fachberaterin für Hochsensibilität und Nervensystem-Coach für hochsensible Frauen. „Mit verschiedenen Techniken, Methoden und Reflexionen gebe ich keine Lösungen vor, sondern unterstütze meine Klientinnen dabei, ihre Perspektiven zu erweitern und bewusster zu handeln.“
Tanja Mächler-Eggenberger lebt in Altendorf in der Schweiz und bietet Kurse, Einzelsitzungen und Workshops rund um Hochsensibilität an. Sie sagt: „Coachin sein bedeutet für mich, Wegbegleiter:in zu sein. Eine Person, die selbst den Weg schon gegangen ist, geht nun mit Menschen ein Stück ihres Weges.“ In ihren Augen ist Coaching für alle Menschen geeignet, „die sich im Kreis bewegen, immer wieder an den gleichen Punkt kommen und die endlich weiterkommen wollen, um ein leichtes und friedvolles Leben zu führen.“
Beim Coaching geht es also oft darum, sich weiterzuentwickeln – und zwar auf dem ganz eigenen und individuellen Weg. „Coaching ist für mich, das Potenzial aus den Menschen herauszuholen, anstatt etwas in sie reinzupressen“, sagt Christine Pum aus Laakirchen in Österreich. Sie begleitet als Coach und Buchautorin Hochsensible dabei, in ihre volle Kraft und Energie zu kommen. „Coaching ist für alle geeignet, wenn sie den richtigen Coach haben – und so lange sie bereit sind, etwas für sich zu tun. Es gibt in meinen Augen keinen, der uncoachbar ist.“
Und auch Nina glaubt, dass Coaching ein Ansatz für uns alle ist: „Coaching ist für alle geeignet, die psychisch gesund, aber mit ihrem derzeitigen Leben oder Alltag nicht zufrieden sind und gerne etwas ändern möchten – ohne genau zu wissen, wo sie ansetzen sollen.“ Die Suche nach dem passenden Coach kann auf dieser Reise ein guter erster Schritt sein. Der Aspekt der psychischen Gesundheit ist dabei wichtig, hier sollte eine klare Abgrenzung zwischen Coaching und Therapie gezogen werden. Ein guter Coach erkennt, wann eher ein:e Therapeut:in gefragt ist und weist Coachees darauf hin.
Wenn du hochsensibel bist und dich für das Thema Coaching interessierst, hast du sicher schon festgestellt, wie viele Angebote es gibt, die sich auf hochsensible Personen spezialisiert haben. Und das aus gutem Grund: „Hochsensible Menschen haben oft ihr Leben lang das Gefühl, falsch zu sein und so gar nicht in diese Welt zu passen. Sie versuchen sich anzupassen, nicht aufzufallen“, sagt Nina. „Das funktioniert vielleicht auch eine Weile, aber es kostet unglaublich viel Kraft und wird auf Dauer nicht funktionieren, ohne dass der hochsensible Mensch ausbrennt. Für Hochsensible ist es deshalb in erster Linie wichtig, die eigene Hochsensibilität anzunehmen und den Alltag bestmöglich auf die eigenen Facetten anzupassen.“ Ein Coaching kann dabei helfen – und wenn der Coach auf Hochsensible spezialisiert ist, schafft das natürlich die besten Voraussetzungen.
Was das Ziel eines speziellen HSP-Coachings sein kann? Nina sagt: „Es geht hauptsächlich darum, mit dem Wissen um die eigene Hochsensibilität ein neues Selbstbild zu entwickeln, eventuell vergangene Ereignisse neu zu interpretieren, dadurch den eigenen Selbstwert und die Selbstwirksamkeit zu stärken und natürlich auch darum, den eigenen Alltag zu analysieren und zu schauen, wo man mehr oder weniger tun kann, um den hochsensiblen Bedürfnissen gerechter zu werden.“
Christine sagt: „Vor allem für hochsensible Menschen ist es besonders wichtig, mit ihren Gaben und Talenten umgehen zu können, zu wissen, dass nichts falsch an uns ist, sie lernen, sich schützen und abgrenzen zu können. Und sie erkennen, dass es eine Gabe und ein Geschenk ist, hochsensibel zu sein – ein Segen und kein Fluch.“
Der Markt ist riesig, die Angebote variieren stark. So gibt es Coachings, die in Online-Sessions durchgeführt werden, andere Face to Face. Es gibt ganz individuelle Begleitungen und Online-Kurse in der Gruppe. Dazu kommen verschiedene konzeptionelle Ansätze: Neben eher klassischem Coaching durch Gespräche kann ein Coaching gezielt dein Nervensystem ansteuern, du kannst mit Meditationen arbeiten, mit ätherischen Ölen, mit Hypnose – und noch vielem anderen.
Natürlich gibt es auch Coachings, die verschiedene Themen in den Fokus nehmen: Einige Coaches arbeiten mit ihren Coachees gezielt an Fragestellungen im Job, andere gehen Felder wie Selbstzweifel und Selbstbewusstsein an, andere coachen zu Unternehmer:innentum, zu Alltagsthemen oder zu erfüllenden Beziehungen. Du siehst also: Für (fast) jede Herausforderung des Lebens gibt es die passende Antwort auf dem Coaching-Markt.
„Coachees können in allen Lebensbereichen profitieren“, sagt deshalb Christine. „Privat, beruflich, familiär und auch finanziell. Das beste Projekt, an dem wir arbeiten können, sind immer wir selbst. Denn wenn es mir gut geht, geht es allen anderen um mich herum auch gut.“
Die Vorteile von Online-Angeboten liegen auf der Hand: Du kannst deinen Coach unabhängig vom Wohnort auswählen, sparst dir Anfahrtszeiten und kannst die Session in deiner gewohnten (und liebsten) Umgebung durchführen. Erzielst du inhaltlich bei Online- und Offline-Coaching die gleichen Effekte?
„Bei mir gibt es keinen Unterschied vom Nutzen zwischen online oder vor Ort“, sagt Tanja. „Jede:r kann vollumfänglich von den Angeboten profitieren. Hochsensible lernen durch das Coaching bei mir zum Beispiel, ihr Wesen immer besser zu verstehen, sie haben garantiert Aha-Momente und bekommen ein Dutzend erprobte Tools an die Hand, die sie im Alltag leicht umsetzen können.“ All das ist online zu vermitteln.
Auch Nina bezeichnet sich als großen Fan von Online-Coaching. „Eine gute Verbindung und Energie lässt sich auch über Zoom ohne Probleme herstellen, wenn die Chemie stimmt. Und gerade Nervensystemcoaching (dazu später mehr) funktioniert über Zoom besonders gut – man muss sich einlassen können und offen sein, für das, was sich zeigt. Das können auch mal unangenehme Empfindungen sein, die gesehen werden wollen. Ich halte den Raum, wir sind ungestört und alles darf sein!“
Vor allem für Hochsensible sei das oft schwer auszuhalten und gerade dann sei es hilfreich, wenn das Coaching online stattfindet: „Wenn man sich dabei zu Hause in der gewohnten Umgebung befindet, mit allem in Reichweite, was man braucht, um sich zu entspannen, dann hilft das sehr, um sich auf diesen Prozess einlassen zu können. Außerdem besteht die Möglichkeit, hinterher einfach noch ein bisschen sitzen zu bleiben, nachzuspüren oder ein paar Notizen zu machen. Da ist es praktisch, wenn man einfach nur den Laptop ausschalten und sich aufs Bett oder auf die Couch legen kann, anstatt raus auf die Straße geschickt zu werden, wo man gleich wieder mit allerlei Reizen überflutet wird, die die eben gemachte Erfahrung sofort überlagern.
Christine sagt zur Frage Online- oder Offline-Coaching: „Es ist Ansichtssache, wie es jede:r für sich selbst am besten findet. Meine Wahrheit und Erfahrung ist es, dass alles online möglich ist, denn wir sind immer mit allem verbunden, und wir haben in der heutigen Zeit so viele Möglichkeiten.“ Mit wenigen Ausnahmen: „Ich biete auch Craniosacral Balanging und mediale Ausbildungen an, da sind unbedingt Präsenztage notwendig. Alles andere im Coachingbereich ist online möglich – doch die Präsenz mit Menschen und die Berührungen am Körper haben schon nochmals etwas Besonderes.“
Du bist inspiriert und überzeugt, möchtest am liebsten direkt loslegen? Dann darfst du jetzt „nur“ noch den richtigen Coach für dich finden. Vor allem im Bereich des HSP-Coachings sind viele Anbieter:innen selbst hochsensibel – möglicherweise ist das für dich ein erstes Entscheidungskriterium. „Da ich selbst hochsensibel bin, weiß ich, wie es sich anfühlt und weiß auch, mit welchen Glaubenssätzen wir behaftet sind“, sagt Tanja. „Dadurch kann ich mit diversen erprobten Techniken gezielt ansetzen, um ein effektives Ergebnis zu erreichen.“ Natürlich ist es aber kein Muss, einen hochsensiblen Coach auszuwählen – spüre in dich hinein, ob es dir persönlich wichtig ist.
Viel wichtiger ist aus Christines Sicht: „Es muss immer eine Herz-zu-Herz-Verbindung sein. Es muss vom Herzen her matchen! Gerade hochsensible Personen spüren das sofort.“ Du solltest dich fragen, ob die Chemie stimmt, ob du die Stimme des Coaches gut aushalten kannst. Und: „Nimm nicht immer das günstigste Angebot, sondern schließe deine Augen, atme dreimal tief ein und aus und frage dich: Was würde ich tun, wenn Geld keine Rolle spielen würde? Wenn ein JA zu einem Coach kommt, dann mach es! Der erste Impuls ist immer der richtige, er kommt von deinem Unbewussten und aus deinem Innern heraus – alles andere kommt von deinem Verstand.“
Nina rät, dir bei der Suche nach dem passenden Coach die folgenden Fragen zu stellen und deine Such-Ergebnisse mit deinen persönlichen Antworten abzugleichen:
„Ganz wichtig ist auch ein kostenloses und unverbindliches Erstgespräch“, sagt sie. „Dabei können sich Coach und Klient:in kennenlernen und prüfen, ob sie auf einer Wellenlänge liegen.“
Vielleicht findest du mit Hilfe von all diesen Informationen und Impulsen bereits einen Coach, der dich anspricht und ein Angebot hat, das zu deinen Bedürfnissen passt. Falls du noch tiefer in die vielfältige Welt des Coachings eintauchen willst, zeigen wir dir nun, welche eher ungewöhnlichen Angebote unsere interviewten Coaching-Expertinnen in ihrem Repertoire haben, um hochsensible Coachees zu begleiten.
So bietet Christine unter anderem Hypnose an – eine ganz besondere Erfahrung für ihre Klient:innen. „Mit der Hypnose findet man den Zugang direkt ins Unterbewusste und der Verstand wird für einen Moment völlig ausgeschaltet“, sagt sie. Du weißt nicht, ob das zu dir passt und überhaupt funktionieren würde? „Jeder Mensch ist hypnotisierbar“, sagt Christine. „Ganz wichtig zu wissen ist, dass Hypnose nicht gefährlich ist und dass es nicht so ist – wie viele glauben – dass man unter Hypnose Dinge tut, an die man sich später nicht mehr erinnert.“ Vielmehr könne Hypnose das Unterbewusstsein ansprechen und dort Veränderungen bewirken. Alle unsere Verletzungen, Verstrickungen, Blockaden und Muster sind zu 95 Prozent im Unterbewusstsein abgespeichert, nur fünf Prozent nehmen wir bewusst wahr. Und das ist mit der Hypnose ganz einfach herauszufinden und zu lösen.“
Tanja setzt neben ihren Coachings in der Gruppe und in Einzelsessions unter anderem auf die Arbeit mit ätherischen Ölen. „Hochsensible Menschen reagieren meistens sehr stark auf Medikamente und daher sind Methoden aus der Alternativmedizin sehr wirksam“, sagt sie. „Als ursprüngliche Expertin für Notfallpflege weiß ich, dass ätherische Öle eine heilsame Wirkung auf Psyche und Körper haben, da durch sie diverse Prozesse im Gehirn und Körper aktiviert werden.“
Sie hat Öl-Roller speziell für Hochsensible entwickelt, die diese durch den Alltag begleiten. „Mittlerweile habe ich vier Eigenkreationen, auf die ich sehr stolz bin, da ich fast täglich positive Rückmeldungen erhalte“, sagt sie. „Sie sind auch in meinem Alltag immer und überall mit dabei.“ Und sie können dich in deinem Coaching- und Entwicklungsprozess unterstützen.
Nina setzt bei ihren Coachees auf die Arbeit am Nervensystem. Denn: „Sehr oft wissen meine hochsensiblen Klientinnen eigentlich ganz genau, was sie wollen und brauchen und wie man das umsetzt. Oft haben sie sich selbst schon länger mit Persönlichkeitsentwicklung auseinandergesetzt und sind sehr reflektiert“, sagt sie. „Und trotzdem funktioniert die herbeigesehnte und oft auch ganz strategisch geplante Veränderung einfach nicht. Vielleicht anfangs, aber nach einiger Zeit fallen sie doch wieder zurück in alte Muster.“
Der Grund dafür könne Nina zufolge in einem chronisch dysregulierten Nervensystem liegen, das keine Veränderungen zulasse. „Gerade HSP tendieren durch die schnelle Überreizung, die intensive Wahrnehmung und emotionale Intensität zu einem dysregulierten Nervensystem“, sagt die Expertin. „Alles Neue wird vom autonomen Nervensystem erst einmal als eine potenzielle Gefahr empfunden und ganz unbewusst laufen sofort diverse Sicherheitsprogramme an, die die geplante Veränderung sabotieren.“
Es gibt die Möglichkeit, diesen ständigen Stress- und Alarmmodus zu durchbrechen, Nina macht das mit Hilfe von NESC. „NESC steht für Neuro-Embodied-Soul-Centering® und ist eine körperorientierte Coachingmethode“, erklärt sie. „Wir arbeiten hier nicht lösungsorientiert mit dem Denken bzw. dem Verstand, sondern über Körperempfindungen direkt mit dem Nervensystem. Es geht darum, sich selber wieder spüren und annehmen zu lernen und so dem Nervensystem wieder Sicherheit im eigenen Körper zu geben.“ So lerne man Schritt für Schritt, das eigene Nervensystem wieder zu regulieren, erhöhe die eigenen Kapazitäten und könne dann auch die nötigen Veränderungen im Außen besser aushalten.
Und Veränderungen bringt ein Coachingprozess immer mit sich – egal, für welchen Ansatz und für welchen Coach du dich entscheidest.