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Tierisch sensibel

Die besondere Beziehung zwischen hochsensiblen Menschen und Tieren
Text: Carina Rother
Fotos: Nora Hellmayr Fotografie
23.05.2023
Julia Zwins_Tierisch sensibel
Für viele hochsensible Menschen sind Tiere mehr als nur Haustiere oder Gefährten. Sie sind oft enge Vertraute. Tiere haben eine beruhigende Wirkung auf den Körper und können dazu beitragen, dass hochsensible Menschen sich sicher und geborgen fühlen. Manchmal kommt es vor, dass hochsensible Besitzer:innen Unterstützung im Miteinander mit ihrem Hund benötigen. Dann kommt Julia Zwinz ins Spiel. Die Wienerin ist Hund-Mensch-Coach und verbessert vor allem die Kommunikation zwischen Tier und Mensch. Wie? Das kannst du jetzt lesen.

Hochsensible Menschen fühlen sich sehr zum Tier hingezogen und genießen die Zeit in der Natur mit dem Hund ganz ungemein. „Der Hund gibt sehr viel Liebe zurück“, sagt Julia. Auch bringen die Hunde den Besitzer:innen allerlei bei und sind ein Spiegel für persönliche Themen. Eine Mensch-Hund-Beziehung ist also auch sehr tiefgründig. „Mein Hund ist hochsensibel und in er Pubertät hat er begonnen, Radfahrer anzubellen. Das hat sich mit der zwar wieder gelegt“, gibt Julia preis, „Aber ich bin durch ihn in sehr viele Konflikte gekommen. Für mich spiegelt er: Ich darf auch mal laut sein und in Konflikte hereingehen.“ Julia bekommt von ihrem Hund gezeigt, welches Potenzial sie noch aus sich herausholen kann. „Ich durfte auch lernen Small Talk zu führen, was ich vorher wirklich gehasst habe“, erzählt die Coach „Ich mache es zwar immer noch nicht gern, aber es hat es erleichtert.“

Dass es hochsensible Hund gibt, diese Erkenntnis ist noch nicht weit verbreitet. „Oft wird es erst erkannt, wenn der Hund anders ist und auffällt“, erklärt die Hund-Mensch-Coach. „Zu sehen ist es beispielsweise in der Hundeschule: Mit 80 Prozent der Hunde funktioniert das Training. Die Hunde machen das, was sie sollen.“ Bei 20 Prozent der Hunde klappt es allerdings nicht. Das sind dann oft Leithunde oder hochsensible Hunde, die als Problemhunde abgestempelt werden." Dabei ticken sie einfach nur anders, haben eine andere Persönlichkeit.

Wie kommuniziert ein Hund?

„Ich arbeite nicht nur mit dem Tier, sondern schaue mir auch ganz genau den Menschen an“, sagt Julia, „Oft wirken sich Glaubenssätze und Verhaltensmuster auch auf das Miteinander mit dem Hund aus.“ Darum ist es wichtig, einen tiefgründigen Blick auf Hund und Mensch zu werfen. „Bei den Hunden schaue ich mir die natürliche Hundesprache an.“ Das ist die Sprache des Hundes, die nicht durch den Menschen – beispielsweise durch Konditionierung wie Leckerlis – verändert wurde. „In einem Hunderudel kann man sehr gut beobachten, wie Hunde miteinander kommunizieren, wenn der Mensch nicht dabei ist.“ Für uns Menschen sind oft nur das Bellen oder Knurren sichtbar, aber die Kommunikation der Hunde ist viel vielseitiger. „Die Kommunikation fängt bereits auf einem Energielevel an“, betont die Expertin. Hunde kommunizieren beispielsweise durch Blicke oder die Art, wie sie aufeinander zugehen. „Das Knurren oder Bellen sind eher das Ende der Kommunikation – die lautstarken Signale.“

Hochsensibilität bei Mensch und Tier

Signale können Hochsensible ganz besonders intensiv wahrnehmen. So kommt es oft vor, dass hochsensible Menschen auch hochsensible Tiere als Begleiter wählen. „Das passiert nicht bewusst, aber ich merke schon, dass sensible Hundebesitzer:innen in der Regel sensible Hunde anziehen“, gibt Julia Einblicke. „Was spannend bei den Hunden ist: Es gibt eine Rudelstellung, in dieser sie verschiedene Aufgaben haben.“ Die sensibleren Hunde sind die Leithunde und die ausführenden Hunde sind „Mitarbeiterhunde“. Die Leithunde beobachten sehr viel, nehmen sehr viel wahr und sind eher zurückhaltend. „Wenn ein Leithund merkt, da kommt was, sagt der Leithund den anderen Hunden, sie sollen nachschauen.“

„Ich finde es sehr spannend, dass in der Welt der Hunde die Leithunde die sensiblen sind und bei uns Menschen ist es tendenziell umgekehrt“, erzählt Julia. Hochsensible Menschen bringen ganz natürlich sehr gute Führungsqualitäten mit sich, bekommen diese aber in der Gesellschaft nicht zugesprochen. „Es gibt viele Parallelen zwischen hochsensiblen Menschen und Tieren, was ihre Eigenschaften oder Merkmale anbelangt.“

Hochsensible Hunde haben andere Bedürfnisse im Vergleich zu normalsensiblen Hunden. „Diese Unterschiede erkennt man schnell beim Spazieren gehen“, sagt Julia. „Normalsensible Hunde passen sich gern und schnell an den Menschen an. Hochsensible Hunde brauchen länger für alles, sind ängstlich, wenn nicht erkannt wird, dass sie Leithunde sind.“ Auch Julia hat einen hochsensiblen Hund in ihr Leben gezogen. „Mit meinem Hund mache ich oft ein „Spazier-Stehen“. Da verweilen wir an einer Stelle und er setzt sich hin oder bleibt stehen und schaut.“ Das ist sehr anstrengend für ihn. „Wir Menschen denken, der Hund muss sich bewegen, weil er ein Hund ist.“ Der hochsensible Hund braucht die Dauerbeschäftigung aber gar nicht. Es gilt: Weniger ist mehr. Hochsensible Hunde nehmen also vielmehr wahr als andere Hunde. „Ich merke bei meinem Hund auch, dass er sich in einer Gruppe nicht sofort einmischt. Nein, er schaut einfach, was so los ist.“

Was Hochsensible für ihren Hund tun können

„Man lernt vom Hund sehr viel und gibt es dann wieder zurück“, sagt Julia und erzählt, was Hundehalter für ihre hochsensiblen Hunde tun können. Das Thema, das bei hochsensiblen Hundebesitzerinnen präsent ist, ist Grenzen setzen. „Der Hund zeigt Grenzen nochmal besonders an – vor allem, wenn er schon eine Geschichte mitbringt, weil er beispielsweise aus dem Tierschutz ist.“ Es geht also darum zu lernen, wie klar man Grenzen gegenüber dem Hund setzt. „Oft haben die Besitzerinnen die Sorge, dass sie wahrgenommen werden, als würden sie ihren Hund nicht mögen, wenn sie Grenzen setzen.“ Aber so ist es nicht. „Es ist ein Geschenk für den Hund, Grenzen zu setzen.“ Je klarer die Besitzerin kommuniziert, desto dankbarer ist der Hund. So bekommt der Hund Orientierung und muss nicht so viel Verantwortung übernehmen, die ihn sogar überfordern kann.

Auf die Frage, ob Hunde ebenso viel Ruhe wie hochsensible Menschen brauchen, hat Julia eine spannende Antwort: Alle Hunde sind gerne für sich. „Sie brauchen viel mehr Ruhe als wir denken.“ Zwischen 16 und 20 Stunden Ruhezeit pro Tag brauchen Hunde Ruhe – ob normal- oder hochsensibel. „Wir als Menschen glauben immer, dass der Hund so viel erleben muss.“ Dabei ist es viel wichtiger zu schauen, was der Hund braucht und darauf zu achten, ob das, was ich mit dem Hund mache, stressig ist oder nicht. „Viele Besitzerinnen denken, der Hund will immer bei ihnen sein. Also wird er mit ins Restaurant genommen“, sagt Julia. „Wenn der Hund sich dort entspannen kann, ist es auch in Ordnung, wenn er aber hechelt und nur schaut, was da los ist, sollte er lieber Zuhause bleiben.“

Die besondere Beziehung zwischen hochsensiblen Menschen und Tieren
Julia, 33 Jahre alt, ist seit rund einem Jahr Hund-Mensch-Coach – vor allem für hochsensible Hundebesitzerinnen. Sie selbst ist auch hochsensibel und unterstützt vor allem dann, wenn die Besitzer:innen Probleme mit ihrem Hund haben: Wenn der Hund an der Leine zieht, nicht allein Zuhause bleibt, andere Hunde anbellt. Ihre Arbeit unterscheidet sich von einem bekannten Hundetraining, in dem Hunde trainiert oder konditioniert werden. So geht die Coach nicht vor. Stattdessen erklärt Julia dem Menschen, wie die Hundesprache funktioniert, welche Signale Hunde geben und wie Hunde mit anderen Hunden und Menschen kommunizieren.