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Der moderne Kopfmensch: Wie du das fühlen wieder lernst

Text: Laura Letschert
Fotos: Unsplash
10.05.2021
Frau mit Schattenspiel
Hello Lovely One,

YES, es ist wieder Zeit für die Genki Selbstentdecker Reihe! Im zweiten Artikel widmen wir uns einen unserer Sinne: dem Fühlen. Warum? Ich habe den Eindruck, dass wir im Alltag unsere Fähigkeit zum Fühlen und (er-)spüren häufig, nicht nur unterschätzen, sondern auch extrem vernachlässigen. Der moderne Mensch erlebt sich als Kopfmensch. Diesen Begriff habe ich das erste Mal bewusst von Maja Storch gehört. By the way, sie ist für mich eine echte Koryphäe auf dem Gebiet der Pädagogik. 

Der moderne Kopfmensch

Was aber meint Kopfmensch? Dass wir uns selbst, die meiste Zeit mit unserem Kopf identifizieren und auch definieren. Dabei wird der "Rest" des Körpers (also alles ab dem Hals) als Anhängsel erfahren, obwohl er ja der Großteil von uns ist. Wir sprechen dann von uns und unserem Körper, als wären es zwei getrennte Dinge - anstatt ein ganzheitliches System. Darauf aufbauend, verhalten wir uns im Alltag eher so, als wäre der Körper im Prinzip ein gut funktionierender Dienstleister (auch wenn wir das natürlich nicht gerne zugeben). Das bedeutet im zweiten Schritt häufig auch, dass wir unseren Kopf (also unser Gehirn) maßlos überbewerten und auch überfordern und den "Rest" (unseren Körper) eher abwerten und unterfordern. Wenn wir beispielsweise vor einer Herausforderung stehen, ein Ziel erreichen wollen oder Entscheidungen treffen, dann denken und denken wir, um diese Situation für uns zu lösen.

Selbst auf der Matte schaltet sich der Kopf heimlich ein

Um es ganz konkret zu machen, stell dir doch gerne die Frage: Wie genau beanspruchst du deinen Kopf und wie deinen Körper am Tag? Wahrscheinlich hast du extra Termine, damit du überhaupt Mal vom Kopf in den Körper kommst - wir sagen auch gern: „Um uns etwas Gutes zu tun." Da wird also die körperliche Beanspruchung oder Entspannung eher als Belohnung gesehen. Aber auch hier müssen wir erst mal unseren Schweinehund überwinden, um es wirklich zu tun. Vielleicht teilst du meine Erfahrung beim Yoga: Selbst auf der Matte schaltet sich der Kopf heimlich ein, wirft mir einen verstohlen kritischen Blick zu oder will, dass ich mich doch noch ein kleines bisschen mehr anstrenge.


Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich finde das ein seltsames modernes (Selbst-) Verständnis, zumal wir alle merken, dass wir uns selbst im Weg stehen und uns blockieren, wenn wir so verkopft sind. Das Bedürfnis nach "mehr fühlen, weniger denken" scheint groß zu sein, denn der Slogan "vom Kopf in den Körper" begegnet mir überall.

Fühlen: Mini-Experiment

Ich möchte dich heute dem Fühlen und Spüren (wieder) ein Stück näherbringen.
Lass uns gleich damit anfangen: Schließe jetzt deine Augen und nimm für einen Moment wahr, was du fühlst. Nimm dir dafür ungefähr eine Minute Zeit (vertrau hier auf deine Uhr) und öffne dann wieder deine Augen.

Wie war dieses Mini-Experiment für dich? Was hast du gefühlt? Die Sitzfläche unter dir oder den T-Shirt-Stoff auf deiner Haut? Waren es Körperempfindungen wie eine Verspannung im Nacken, ein Kribbeln im kleinen Zeh oder das Gluckern des Magens? Oder waren es Gefühle wie Ruhe oder Aufregung? Du merkst direkt: Wir können so viel fühlen und erspüren.

Das Fühlen oder Ertasten über den Sinn steht also im Zusammenhang mit unseren Gefühlen.

Äußeres Fühlen und innere Gefühle

Mich fasziniert diese besondere Form der Intelligenz des Fühlens. Es ist eine Ressource, die wir alle in uns tragen. Dabei ist das, was wir äußerlich wahrnehmen, oft eng mit dem verbunden, was wir innerlich fühlen, wie diese Redewendungen schön verdeutlichen: „Da drin ist ganz schön dicke Luft." „Ich fühlte mich in die Enge getrieben.", „Wo drückt der Schuh?", „Ich konnte die Anspannung spüren.", „Das ist eine echte Wohlfühlatmosphäre" oder „Sie trägt eine ganz schöne Last auf ihren Schultern."

Das Fühlen oder Ertasten über den Sinn steht also im Zusammenhang mit unseren Gefühlen. Zum Beispiel das Gefühl von Liebe durch eine Berührung oder einen Kuss. Dabei spielen natürlich auch die anderen Sinneskanäle eine wichtige Rolle.

Gefühle sind zum Großteil unbewusst und sind damit der Teil des Eisbergs, der unter der Wasseroberfläche liegt. Sie bestimmen unser Verhalten, unser Handeln unsere Kommunikationen, unser Selbstverständnis, unsere Zufriedenheit etc.!Über unsere Gefühle haben andere Menschen ganze Bücher geschrieben und Wissenschaftler beschäftigen sich seit Jahren damit. Du kannst hier tief eintauchen und den Zusammenhang zwischen deinen Gedanken und deinen Gefühlen durchleuchten.

Ich möchte es an dieser Stelle deswegen gerne bei zwei praktischen Impulsen belassen und dich ermutigen, dich neugierig weiter mit dem Thema zu beschäftigen.

  • Erster Impuls:

    Du kannst üben, dir mehr über deine Gefühle bewusst zu werden und wahrzunehmen, welche Auswirkungen sie auf dich und dein Umfeld haben. Hier gilt es wieder dich selbst zu beobachten und den Pauseknopf in deinem Kinofilm zu drücken. Was lernst du dadurch über dich, deine Beziehungen und dein Leben?

  • Zweiter Impuls:

    Das bewusste Fühlen unterstützt dich langfristig dabei, dich immer stärker mit deiner Intuition oder wie wir es umgangssprachlich nennen: dem eigenen Bauchgefühl zu verbinden. Dein Bauchgefühl ist eine Instanz, ein Kompass, der dich leiten kann - zum Beispiel bei Entscheidungen. Intuition ermöglicht uns eine tiefe Verbindung zu uns selbst. Wenn du dir erlaubst zu fühlen, dann bist du in Resonanz mit dir und dem Außen und hast ein Gespür für die feinen Veränderungen. Diese feinen Veränderungen können ein entscheidender Hinweis sein. Unsere Intuition ist für mich eine Urinstanz, die in der Kombination mit einem wachen Geist aus meiner Sicht unschlagbar ist. Mir ist hier noch wichtig zu sagen, dass es sich beim Bauchgefühl nicht um eine Reaktion aus einem Gefühl (zum Beispiel Euphorie oder Wut) handelt, sondern um eine leisere, beständige Stimme, die uns leitet, wenn die ersten Gefühlsausbrüche vorbei sind.

Vertrau deinem Gefühl - vertraue dir selbst

Und so sind wir bei einem entscheidenden Punkt angelangt. Um zu fühlen, musst du dir zunächst erlauben zu fühlen und deine Gefühle zuzulassen. Das benötigt Vertrauen. Mehr dem zu Vertrauen, was nicht immer direkt sichtbar oder greifbar ist, sondern was du zwischen den Zeilen liest. Es braucht Vertrauen, einem Eindruck nachzugehen und es kostet Mut, ihn nach außen an- bzw. auszusprechen. Das Vertrauen in dich und deine Intelligenz - damit meine ich deine emotionale und körperliche Intelligenz und nicht deinen IQ.

Gefühle sind vielschichtig, oft nicht eindeutig und wie eine Reise ins Unbekannte. Mit meinem Fühlen mache ich mich als Mensch sichtbar, erlebbar und auch angreifbar.

  • Wie sehr vertraust du dir selbst?
  • Wie sehr vertraust du anderen?
Ich möchte dich ermutigen, dir mehr zuzutrauen und dich weiter an dieses Thema heranzutasten!
Ich möchte dich ermutigen, auch deinen Mitmenschen mehr zuzutrauen und Dich zu öffnen in deinen Beziehungen! Ich möchte dich ermutigen, dich dem Spüren hinzugeben!

Es unterscheidet uns von Maschinen (die uns mittlerweile im IQ überlegen sind) und verbindet uns mit anderen Lebewesen.

Gänsehaut-Momente

Einige Moment gehen uns wortwörtlich unter die Haut. Sie berühren uns, ja, verändern uns sogar so, dass es auf Zellebene nachzuweisen ist. Wahrscheinlich eine der höchsten Formen der Resonanz. Diese Momente des Spürens schenken uns pure Lebendigkeit - in diesen Momenten erfahren wir, was Mensch sein bedeutet und was dies für ein riesiges Geschenk ist!

  • Was resoniert mit dir?
  • Was geht dir unter die Haut?
  • Wo und wann spürst du diese Lebendigkeit?

Dem Fühlen wieder mehr Gewicht geben

Was kannst du nun aktiv tun, um im Alltag ins fühlen zu kommen? Grundsätzlich, indem du: 

  • diesen Sinneskanal förderst und forderst.

  • deinem Körper eine zentralere Rolle zuschreibst (ihn nicht als getrennten Teil von deinem Selbst wahrnimmst) und du deine körperlichen Bedürfnisse ernst nimmst.

  • dem inneren Fühlen wieder mehr Raum gibst und auf deine Emotionale Intelligenz vertraust

Hier meine ganz konkreten Anregungen für dich, wo oder wie du das Fühlen in den Vordergrund rücken kannst:

  • Alle Tätigkeiten, Bewegungen, die dich in deinen Körper bringen wie zum Beispiel: Tanzen, Meditation, handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten, Musik machen.
  • Raus in die Natur zu gehen.
  • Weniger Hilfsmittel, mehr Körpergefühl und -einsatz: Das gilt für den Weg zum Einkauf aber auch für das Benutzen von Apps. Brauchst du wirklich eine App, die dir ansagt, wann du genug geschlafen hast oder was du essen solltest oder vertraust du auf deine Körper-Intelligenz. Denke daran: Je weniger du deinen Körper trainierst und forderst, desto mehr verkümmert diese Fähigkeit. Super Experiment: Ein Wochenende ohne Uhr: Vertrau auf deine innere Uhr.
  • Sobald du spürst, dass du wieder verstärkt im Kopf bist, unterbrichst du den Kreislauf und verbindest dich mit deinem Körper durch eine Beobachtung, Bewegung oder eine bewusste Geste.
  • Rein ins Spüren: Wie fühlt sich der Handtuchstoff beim Abtrocknen nach dem Duschen an? Was empfindest du bei einer Streicheleinheit von deiner/m PartnerIn? Wie genau fühlt sich eigentlich die Haut einer Kiwi an? Versuche hier nicht nur mit den Händen, sondern mit deinem ganzen Körper ins Tasten, Spüren zu kommen. Besonders bei körperlichen Zärtlichkeiten/beim Sex kannst du spüren.
  • Lieblingsgefühl, -menschen, -orte, -teile: Spüre genau nach, was du eigentlich daran so gerne hast? Was macht es für dich aus?
  • Wenn du vor einer Entscheidung oder Herausforderung stehst, dann nehme Abstand vom Denken und gehe bewusst ins Erspüren deiner körperlichen Empfindungen und Gefühle. Dabei geht es nicht ums Bewerten, sondern ums wirken lassen.
  • Wenn du vor einer Entscheidung oder Herausforderung stehst, dann nehme Abstand vom Denken und gehe bewusst ins Erspüren deiner körperlichen Empfindungen und Gefühle. Dabei geht es nicht ums Bewerten, sondern ums wirken lassen.
  • Wahrnehmungsaufgabe: Nimm eine privaten oder beruflichen Alltagssituation bewusst wahr. Welche (unausgesprochenen) Gefühle kannst du bei dir und anderen (er)spüren?
  • Du kannst intensiver fühlen, wenn du deine Augen schließt, dich von der Außenwelt abkoppelst oder erst dadurch mit ihr verschmilzt.

Pflück dir deinen bunten Blumenstrauß an Inspirationen, die dich ansprechen. Dabei heißt es vor allem: Weniger denken, mehr machen! Einfach ausprobieren und rein ins Spüren! Apropos Blumenstrauß: Gerade ist die schönste Zeit zum Blumenpflücken: der Frühling. Also schenk dir heute ein paar Frühlingsgefühle und mach es dir richtig schön!

Deine 3 Reflexionsfragen:

1. Wie kommst du besonders gut ins spüren?

2. Welches Gefühl ist besonders präsent in deinem Alltag? Wo verankerst du dieses Gefühl in deinem Körper?

3. Was ist dein absoluter Wohlfühlort? (nicht zerdenken - erspüren) Wie kannst du ihn in deinen Alltag integrieren?