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Ernährung für Hochsensible:

Auf Zutaten und Zeitpunkt kommt es an
Text: Julia Felicitas Allmann
Fotos: Moira Rutschmann
20.06.2023
Isabel Kiening
Wer hochsensibel ist, reagiert nicht nur auf die Umgebung in besonderem Maße – auch die Ernährung spielt eine große Rolle. Was zusätzlichen Stress auslöst, wie du dich als hochsensible Person wohltuend stärkst und auf welches Setting du bei den Mahlzeiten setzen solltest: Das erklärt dir Isabella Kiening, Coach und systemische Beraterin für hochsensible Frauen, in diesem Artikel.

„Hochsensible reagieren oft intensiver auf bestimmte Lebensmittel“, sagt sie. „Sowohl was Konsistenz, Geschmack, Geruch, Zubereitungsart und Verdauung angeht.“ Das ist wichtig zu wissen – denn wer als hochsensible Person erst einmal herausgefunden hat, was ihr selbst guttut, kann durch eine angepasste Ernährung für Balance im Körper sorgen.

Diese Lebensmittel erzeugen Stress

Natürlich ist es individuell unterschiedlich, wer was wie gut verträgt – Isabella zufolge gibt es bei diesem Thema keine allgemeingültige Formel. Aber: „Prinzipiell kann man sagen, dass Hochsensible auf Kaffee und Alkohol sowie Energydrinks sehr stark reagieren. Denn all diese Dinge sorgen dafür, dass, ganz vereinfacht gesagt, unser Cortisolspiegel ansteigt und dieser ist bei Hochsensiblen meist ohnehin schon dauerhaft erhöht.“ Trinkst du viele aufputschende Getränke, setzt das deinen Körper also zusätzlich unter Stress. „Und ja, diese körperliche Reaktion läuft IMMER ab, egal ob wir an Kaffee gewöhnt sind oder nicht“, sagt die Expertin. Sie wird mit der Gewöhnung nur weniger intensiv wahrnehmbar.“

Verdauungsprobleme wie Bauchschmerzen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Blähbauch, Verstopfung oder Durchfall belasten viele hochsensible Personen. Ist das bei dir der Fall, solltest du entzündungsfördernde Lebensmittel am besten vom Speiseplan streichen. „Der Körper bekämpft mit Entzündungen Krankheitserreger, werden diese Reaktionen aber zu viel (auch befeuert durch diese Lebensmittel), reagiert das Immunsystem heftig und bekämpft nicht nur die Erreger, sondern auch körpereigenes Gewebe und Stoffe“, erklärt Isabella. „Reagiert das Immunsystem, reagiert damit auch der Darm, denn 70 Prozent aller Immunzellen befinden sich im Dünn- und Dickdarm, knapp 80 Prozent aller Abwehrreaktionen laufen hier ab.“

Zu entzündungsfördernden Lebensmitteln gehören stark verarbeitete Speisen, Transfette, raffinierter Zucker und Zuckerersatzprodukte. Auch übermäßiger Fleischkonsum ist Isabella zufolge nicht zu empfehlen, vor allem Schweinefleisch und stark verarbeitete Fleischprodukte wie Wurstwaren. Auch Konservierungsstoffe, Farbstoffe, Milch und Milchprodukte und glutenhaltige Lebensmittel fallen in diese Kategorie. Empfehlenswert ist also eine möglichst natürliche und frische Ernährung sowie ein bewusster Konsum von tierischen Produkten.

Die Kraft der Kräuter

Wenn du deinem Körper hingegen etwas Gutes tun möchtest, kannst du als hochsensible Person auf verschiedene Kräuter setzen und ihr Potenzial nutzen. „Kräuter sind etwas ganz Wunderbares. Nicht umsonst werden Sie schon seit Jahrhunderten auch zur Heilung oder Besserung von Krankheiten eingesetzt“, sagt Isabella. Dabei spielt es keine Rolle, ob du sie frisch gehackt im Essen, als Tee oder verarbeitet zu Salben oder Tropfen zu dir nimmst.

Diese Kräuter und Gewürze empfiehlt Isabella besonders für Hochsensible:

  • Ingwer, Fenchel, Kamille, Pfefferminze und Thymian beruhigen unter anderem die Verdauung, lindern Blähungen, lösen Krämpfe und fördern die Magen-Darm-Tätigkeit.
  • Leinsamen und Süßholz lindern Magenschleimhautentzündungen und können bei Reizdarm helfen.
  • Alle bitter schmeckenden Kräuter wie Löwenzahn, Schafgarbe, Rucola, Chicorée und Radicchio sind verdauungs- und gallefördernd. Sie helfen der Leber, Fette besser zu verdauen und unterstützen bei der Entgiftung.
  • Johanniskraut, Hafer- und Passionsblumenkraut, Baldrian, Melisse, Hopfen, Lavendel und Weißdorn helfen zu entspannen und runterzufahren (besonders auch abends). Ginseng oder Rosenwurz helfen dem Körper, sich an Stresssituationen besser anzupassen und besser damit zurecht zu kommen.
  • Gut sind wärmende Gewürze wie beispielsweise Zimt (hilft auch ganz wunderbar bei der Stabilisierung des Blutzuckerspiegels), Vanille, Ingwer und Muskat.

Wie immer gilt auch hier: Es ist individuell unterschiedlich, wie gut du etwas wirklich verträgst. Außerdem kann es sein, dass Hochsensible bestimmte Kräuter oder stark gewürzte Speisen als zu intensiv wahrnehmen. Auch zu scharfes Essen sorgt oft für zusätzliche Reize statt für großen Genuss. Teste also vorsichtig für dich selbst, was dir schmeckt und für Balance im Körper sorgt.

Auch Zubereitung und Zeit entscheiden

„Aufgrund der oftmals sensiblen Verdauung von Hochsensiblen empfiehlt es sich, zum Beispiel gerade Gemüse nicht roh, sondern in gedünsteter Form zu sich zu nehmen“, sagt Isabella. „Vielen Hochsensiblen helfen auch mehrere warme Speisen am Tag, da diese meist leichter verdaulich sind.“

Und es spielt eine große Rolle, was, wann und wie viel du isst. „Allem voran ist ein konstanter Blutzuckerspiegel enorm wichtig. Wir müssen einen möglichst regelmäßigen Essensrhythmus finden und vor allem auch darauf achten, WAS wir essen“, so Isabella. „Ausreichend gesunde Fette, Ballaststoffe, Eiweiß und eine angemessene Menge an möglichst langkettigen Kohlenhydraten sind wichtig, damit unser Blutzuckerspiegel über drei bis vier Stunden stabil bleiben kann und wir nicht direkt wieder hungrig werden.“

Auch ein gutes Frühstück sei unerlässlich. Isabella empfiehlt, innerhalb der ersten 60 bis 90 Minuten nach dem Aufwachen etwas zu essen. „Tun wir das nicht, muss unser Körper mit der zusätzlichen Produktion von Hormonen, unter anderem Cortisol, beginnen und zusätzliches Cortisol im Körper bedeutet auch zusätzlichen Stress.“ Wer so früh noch nicht gerne isst, kann alternativ auf einen Shake oder Smoothie mit wohltuenden Zutaten setzen.

Ansonsten gilt: Pauschale Aussagen zu Zeit und Verteilung der Mahlzeiten sind schwierig. „Ob wir nun lieber dreimal etwas größer oder fünfmal etwas kleiner am Tag essen, dieses oder jenes Gemüse lieber mögen oder besser vertragen oder gern dreimal oder nur einmal am Tag warm essen, liegt schlussendlich bei uns“, sagt Isabella. „Wichtig in meinen Augen ist aber, dass wir eine Regelmäßigkeit entwickeln, was unsere Essenszeiten angeht und eben auch unseren Blutzuckerspiegel in den Fokus rücken.“

Die passende Umgebung deiner Mahlzeiten

Wir haben jetzt über das „Was“ und „Wann“ gesprochen, nun geht es noch um das „Wie“: Welches Setting tut hochsensiblen Menschen beim Essen gut? „Auf jeden Fall sollte es eine möglichst reizarme, ruhige Umgebung sein, in der achtsames und bewusstes Essen möglich ist“, rät Isabella. „Eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, während der Fernseher läuft und man sich nebenbei auch noch unterhält, ist für Hochsensible absolut nicht empfehlenswert.“ Es geht also darum, Ablenkungen beim Essen möglichst zu vermeiden, genauso wie schnelles Essen in hektischen Situationen oder im Gehen und Stehen.

„Wichtig ist auch, dass wir möglichst entspannt mit dem Essen beginnen. Da reicht es schon, wenn wir uns setzen und bevor wir zur Gabel greifen, drei, vier bewusste Atemzüge nehmen – ankommen.“ Vielleicht tut es dir als hochsensible Person auch gut, in Gesellschaft anderer Menschen zu essen, „vorausgesetzt, es ist eine selbstgewählte und passende Gesellschaft“, sagt Isabella mit einem Augenzwinkern.

Inspiration für deine Ernährung

Auch wenn es ganz unterschiedlich sein kann, was dir gut tut – und was dir schmeckt – hat Isabella Tipps, mit welchen Gerichten du anfangen kannst, wenn du als hochsensible Person deine Ernährung stärker in den Fokus rücken möchtest. Erst einmal: „Selbstgemachte Mahlzeiten sind ein guter Anfang, weil wir dann wissen, was drin ist.“ Zum Frühstück eignen sich zum Beispiel Porridge, Shakes oder auch eine Rindersuppe. Zum Mittag- oder Abendessen könntest du Isabella zufolge zum Beispiel auf einen Quinoasalat mit Rucola und Tomaten setzen oder auf eine Glasnudelbowl mit Lachs, gebratenem Chicorée, gerösteten Mandeln und Tahinidressing.

Auch für Snacks gibt es gute Alternativen zu konventionellen Süßigkeiten – auch wenn diese in Maßen genossen werden sollten: No-bake-Proteinbars, gesunde „Snickers“ oder Energyballs können zwischendurch für Genuss und Stärkung sorgen – und da sie ohne raffinierten Zucker auskommen, versetzen sie hochsensible Körper nicht in starken Stress.

Ernährung für Hochsensible: Auf Zutaten und Zeitpunkt kommt es an
Isabella Kiening ist selbst hochsensibel – und als sie das verstanden hat, konnte sie eine echte Verbindung zu sich selbst aufbauen. Nach einer Weiterbildung zur systemischen Beraterin und Therapeutin begleitet sie nun feinfühlige, sensible oder hochsensible Frauen dabei, stark und entspannt durchs Leben zu gehen. Weitere Informationen über Isabella findest du auf ihrer Website und ihrem Instagram-Account.