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Small Talk als hochsensible Frau

Herausforderungen und Strategien von Small Talk Expertin Sarah Köhlen
Text: Carina Rother
Fotos: Andi Werner Photography
06.06.2023
Sarah Köhlen: Small Talk Expertin
Small Talk ist eine alltägliche Situation, die wir alle regelmäßig meistern müssen. Dabei geht es darum, einen Einstieg in ein Gespräch zu finden, Konversationen zu führen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und Kontakte zu knüpfen. Für manche Menschen, insbesondere für Hochsensible, kann Small Talk jedoch zu einer Herausforderung werden. Sarah Köhlen, Small Talk Expertin aus Düsseldorf, hat Methoden und Strategien an der Hand, die es Hochsensiblen möglich machen, Small Talk nicht länger als Last zu empfinden.

Small Talk: Der Sinn und Zweck

Small Talk: Wir kommen nicht umher. Ob bei Veranstaltungen wie Hochzeiten und Empfängen oder im beruflichen Kontext bei Konferenzen oder in der Kaffeeküche spielt Small Talk eine entscheidende Rolle. Auch das Leben in einer Nachbarschaft verlangt Small Talk. Small Talk lockert angespannte und unbekannte Situationen auf, bricht das Eis zwischen sich fremden Menschen. Das gilt für viele Hochsensible und Introvertierte nicht.

„Small Talk - wie er allgemein verstanden wird - ist ein Synonym für oberflächliche Gespräche, die also nicht in die Tiefe gehen“, beschreibt die Expertin, „Genau damit ist das Problem verbunden, dass viele Hochsensible und Introvertierte es als Schutzschild nehmen, keinen Small Talk führen zu können.“ In Wirklichkeit sind es die ersten Sätze und die Einfallstür zu jeglichen Kontakten. „Alles läuft über Kommunikation“, betont Sarah. „Small Talk ist für mich aber das gesamte Gespräch, wenn man Small Talk ganz gezielt einsetzt.“

Welche Vorteile Small Talk hat, hängt für Sarah davon ab, welches Ziel man damit verfolgt. „Im beruflichen Kontext sind die Erfolgreichen, diejenigen, die in der Lage sind, die zwischenmenschliche Kommunikation zu pflegen, sich selbst zu präsentieren und dazustellen“, sagt die Expertin. Aber auch die eigenen Fähigkeiten zu zeigen. „Das hat im beruflichen Umfeld eine große Bedeutung.“ Man kann darüber sprechen, was einem liegt und was nicht und mit dem Vorgesetzten diskutieren. „Small Talk ist unerlässlich, um Barrieren abzubauen.“

Je mehr man über die Menschen weiß, desto zielgerichteter kann man auf sie zugehen. Wer sich nie ins Gespräch bringt, aber die größten Talente mit sich bringt und kein Small Talk beherrscht, ist häufig ganz unbeholfen. „Dieser Typ Mensch arbeitet in der Stille für sich, oft haben sie ein viel größeres Potenzial als die, die besonders laut sind.“ Deren Talente bleiben allerdings unentdeckt: die der Stillen.

Auch für das Netzwerken ist Small Talk unerlässlich – vor allem für selbstständige Frauen, die erst ihr Team aufbauen wollen und Aufträge an Land ziehen müssen. „Das läuft aber nur, wenn man in der Lage ist, auf Menschen zuzugehen und sich darzustellen“, so Sarah, „Deshalb ist da mein großes Credo: Niemals das Gesprächsziel aus der Hand zu geben.“

Bei Hochsensiblen gibt es hauptsächlich zwei Probleme beim Small Talk: „Das ist die sehr hohe Intuition, die immer mitschwingt und man schon Sachen wahrnimmt, die das Gegenüber selbst noch gar nicht festgestellt hat“, sagt Sarah, „Oder als Hochsensible während des Gesprächs mit all den Wahrnehmungen umzugehen und sich unsicher zu sein, was davon man spiegeln soll, wie tief man gehen kann und darf.“ Dadurch wird viel Energie gezogen. Gerade weil Hochsensible nicht nur die Worte, sondern auch Gestik, Mimik und unterschwellige Schwingungen, die zwischen den Worten sind, wahrnehmen.

„Durchaus werden hochsensible Menschen als angenehme Gesprächspartner wahrgenommen“, ergänzt Sarah. Gerade deswegen werden sie gern auch mal als „Mülleimer“ gebraucht. Es wird abgeladen und erzählt, die oder der Hochsensible ist dann aber nicht mehr Teil des Gesprächs. „Wenn eine hochsensible Person nicht mehr in der Lage ist, ein Gespräch zu steuern, geht sie zwei große Gefahren ein.“ Einerseits, dass sie sich selbst nicht mehr mitteilen kann. Andererseits nicht die Möglichkeit zu haben, Grenzen zu setzen. „Hochsensible sind oft zu gutmütig. Sie merken selbst, dass sie an ihre eigenen Grenzen kommen, können diese aber nicht mitteilen.“ Dabei könnten sie sagen: „Danke, das war ein nettes Gespräch, das wir gern fortführen können, aber zu einem anderen Zeitpunkt“, gibt Small Talk Expertin Sarah den Tipp.

Grundlegend für jedes Coaching und auch ein Coaching im Zusammenhang mit dem Thema Small Talk ist genau hinzuschauen, was sind die jeweiligen Probleme der Kundin oder des Kunden und was können die Ursachen dafür sein. „Meistens hat es mit der Einstellung gegenüber Small Talk zu tun, teilweise ist es auch eine Selbstwertproblematik“, so Sarah. Bei Hochsensiblen ist es auch das Thema der Abgrenzung und „Introvertierte denken oft, sie seien nicht interessant genug, um Small Talk führen zu können.“ So unterstellt man seinem Gegenüber eine gewisse Ablehnung, was man im Vorhinein jedoch gar nicht weiß und verpasst eine Chance auf ein gutes Gespräch.

Unter Extrovertierten hat Small Talk keinen schlechten Ruf. „Die wissen immer, was sie sagen sollen“, sagt Sarah, „Teilweise sprechen sie ganz banale Dinge an.“ So banale Dinge, dass Hochsensible oder Introvertierte sie gar nicht ansprechen würden. „Frei und von der Leber weg zu reden kann aber auch sehr hilfreich sein. Kann ein guter Einstieg sein.“ Extrovertierte machen sich einfach weniger Gedanken. „Und genau da liegt das Problem“, meint die Düsseldorferin.

„Wenn ich Small Talk per se als oberflächlich bewerte, kann Small Talk als hochsensible Person nicht funktionieren.“ Denn Hochsensible sind nicht oberflächlich. Die Schlüssel zum erfolgreichen Small Talk als Introvertierte oder Hochsensible sind folgende Fragen:

  • Warum ist meine Einstellung so negativ?
  • Welche Erfahrungen habe ich gemacht, die mich zu dieser Wertung bringen?
  • An welcher Stelle treten während des Small Talk Probleme auf? Wo tue ich mich schwer?

Auch Unsicherheit und eine hohe Hemmschwelle auf andere Menschen zuzugehen können Ursachen dafür sein, dass Small Talk als negativ empfunden wird. Bei hochsensiblen Personen wird eher eine mögliche Unterbrechung des Gesprächsflusses als negativ bewertet. „Dann kann es passieren, dass Hochsensible ein ungutes Gefühl haben, wenn das Gespräch ins Stocken kommt, eine unbehagliche Stille entsteht. Hintergrund ist nicht selten eine empfundene „Bringschuld“, das Gespräch am Laufen halten zu müssen. Oft sind sie dann irritiert von ihrem eigenen Gefühl“, erklärt Sarah.

Small Talk: tiefgründig und mit Sinn – geht das?

„Ja, das geht“, sagt Sarah, „Es kommt immer darauf an, ein Ziel mit dem Gespräch zu verfolgen.“ In dem Moment, in dem man nicht vorbereitet ist oder die Situation vermeiden möchte, dann kann das nicht gut werden. „Gehen wir mal von dem Fall aus, dass eine hochsensible Person sich mit Netzwerk-Events schwertut, weil sie sagt, dass solche Treffen zu laut sind, zu viele Eindrücke auf sie einfließen.“ Jetzt ist die Person aber gezwungen, gelegentlich genau solche Events wahrzunehmen, weil sie beruflich nützlich sind.

Jetzt kommt die Zielsetzung ins Spiel. Welche können das sein? Leute zu suchen, mit denen man zusammenarbeiten möchte oder aber nur mal einen Überblick bekommen, was in der eigenen Branche, was in der Stadt passiert. Auch mehr Praxiserfahrung zu sammeln – im Small Talk – kann ebenfalls ein Ziel sein. „Nach diesen Zielen müssen dann auch Strategien ausgerichtet werden.“ Strategien sind individuell. Es kommt darauf an, zu schauen, was einen selbst ausmacht. „Unbedingt sollte man auch die hochsensiblen Eigenschaften miteinbeziehen. Sie sind Stärken“, so die Small Talk Expertin. Wenn es gelingt, eine Strategie umzusetzen, „dann wird jedes Gespräch erfolgreich.“

Eine Einstiegsfrage kann direkt mit dem eigenen Ziel verbunden sein oder man kann in die Spiegelung gehen. „Wichtig ist nur, dass man auf die langweiligen Fragen verzichtet.“
Die Fragen „Wo kommst du her?“ „Warst du schon öfter hier?“ „Was machst du beruflich?“ sind ab sofort tabu. Warum? Weil nach diesen Fragen der Autopilot angeht und das Gespräch somit verloren ist. „Man muss versuchen, immer etwas Außergewöhnliches dabei zu haben, dass die andere Person erst mal wach wird und man selbst viele Anknüpfungspunkte gibt.“

Die Gesprächspartner werden verstehen und ein geführtes Gespräch auch genießen und fragen, wann es ganz unbedingt fortgeführt wird.

Sarah ist Small Talk Expertin. Sie ist introvertiert und hochsensibel. Früher hatte sie selbst eine große Abneigung gegenüber Small Talk, aber sie hat es gelernt, Small Talk zu lieben. So ist sie zur Small Talk Expertin geworden und teilt heute ihre Erfahrungen, ihr Wissen, ihre Expertise mit zahlreichen hochsensiblen und introvertierten Kund:innen.

Small Talk als hochsensible Frau: Herausforderungen und Strategien