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Selbstzweifel besiegen

– langfristig und in SOS-Situationen
Text: Julia Felicitas Allmann
13.09.2023
Selbstzweifel auflösen_Dorith Kaiser_Coach und Mentorin für Hochsensible
Ob es um deine Fähigkeiten geht, dein Aussehen, deinen Lebensweg oder vielleicht sogar um deine eigene Sensibilität: Wenn du ständig von Selbstzweifeln geplagt wirst, kann dich das lähmen. Wie schaffst du es, diese zu überwinden – und woran erkennst du, dass du ein gesundes Maß an Selbstzweifel überschreitest? Hier gibt es die Antworten.

Beginnen wir mit einer Definition: „Bei Selbstzweifeln handelt es sich grob gesagt um die Zweifel an der eigenen Person – und die Brandbreite der Selbstzweifel ist lang“, sagt Dorith Kaiser, Coach für Hochsensible mit dem Fokus auf Selbstvertrauen. „Prinzipiell kann alles, was mit der eigenen Person zu tun hat, angezweifelt werden.“ Am häufigsten zeigen sich Selbstzweifel in negativen Gedankenspiralen, und diese können zu einem Ohnmachtsgefühl, zu Hilflosigkeit und Frustration oder zu Ängsten führen.

Dabei sind Selbstzweifel in einem geringen Umfang gar nicht außergewöhnlich, sondern völlig normal. „Selbstzweifel in einem gewissen Maß haben sicher die meisten von uns und ich behaupte auch, dass dies bis zu einem bestimmten Punkt gut und gesund ist“, sagt Dorith. „Es hilft uns, zu hinterfragen, zu reflektieren und uns letztendlich weiterzuentwickeln.“ Herausfordernd werde es jedoch, wenn die Zweifel lähmend wirken, wenn die zuvor genannten belastenden Gefühle Oberhand nehmen und eine Person fast handlungsunfähig machen.

Selbstzweifel bei hochsensiblen Personen

Wer hochsensibel ist, macht sich häufig besonders viele Gedanken – und hat oft auch häufiger mit Selbstzweifeln zu kämpfen. „Meiner Meinung nach hat das zwei Hauptursachen, obwohl die Gründe natürlich auch immer individuell zu betrachten sind“, sagt Dorith. „Eine der Hauptursachen sehe ich in der Entwicklung hochsensibler Menschen, die im jungen Alter häufig mit Aussagen wie ‚sei doch nicht so empfindlich‘, ‚Du Sensibelchen‘ oder ‚Fang doch nicht gleich an zu weinen‘ konfrontiert wurden.“ So verinnerlichten die hochsensiblen Personen, dass mit ihrer eigenen Wahrnehmung etwas nicht stimme. „Dass das totaler Quatsch ist, weil jeder von uns unterschiedlich wahrnimmt, lernen die meisten von uns dann – wenn überhaupt – erst im Erwachsenenalter.

Der zweite Hauptgrund für häufige Selbstzweifel liegt in Doriths Augen in der Gabe hochsensibler Menschen, besonders gut zu reflektieren. „Die kann schnell mal zum Fluch werden, weil der innere Kritiker überhandnimmt.“

Strategien gegen starke Selbstzweifel

Auch wenn nun klar ist, dass Selbstzweifel häufig auftreten – und besonders stark bei hochsensiblen Menschen – musst du sie nicht einfach hinnehmen, wenn sie dich belasten. Dorith hat einige Punkte, an denen du ansetzen kannst, um starke Selbstzweifel zu überwinden:

  • Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen stärken: Du darfst den Blick auf diese beiden Elemente richten und an ihnen arbeiten. „Sie sind die absolute Grundlage für einen entspannteren und liebevolleren Umgang mit Selbstzweifeln“, sagt Dorith. Dafür gibt es verschiedenste Übungen und Methoden, zum Beispiel kannst du ein Erfolgstagebuch führen und deine eigenen Erfolge feiern. Du kannst deine eigenen Fähigkeiten als Ressourcen anerkennen, sie besser kennenlernen und ausbauen. „Es gibt auch wunderschöne Methoden im Rahmen der Hypnose, die das Selbstvertrauen und das Selbstwertgefühl stärken.“
  • Persönliche Themen bearbeiten: Was bei dir individuell zu starken Selbstzweifeln führt, lässt sich natürlich nicht aus der Ferne und pauschal beantworten. „Es macht Sinn, an den persönlichen Themen zu arbeiten, denn jeder von uns hat persönliche Prägungen und Erfahrungen, die gegebenenfalls dafür verantwortlich sind, dass die Selbstzweifel ausgeprägter sind“, sagt Dorith. Je nach individueller Geschichte könne es hier Sinn machen, einen Coach, Trainer, Berater oder auch einen entsprechenden Therapeuten aufzusuchen. „Gerade bei Menschen mit stark ausgeprägten Selbstzweifeln macht ein Begleiter oder eine Begleiterin Sinn.“
  • Optimistische Einstellung erzeugen: „Weiterhin ist es sehr wichtig, an der eigenen Perspektive bzw. am Mindset zu arbeiten“, sagt Dorith – denn das könne zu einer optimistischeren Einstellung führen. „Diese befähigt uns langfristig dazu, viel selbstbewusster und selbstbestimmter zu handeln.“ Das erreiche man schon leicht, indem man die Fragen, die man sich täglich stelle, ändere und deutlich lösungsorientierter formuliere. Statt „Warum passiert mir das schon wieder?“ kannst du dich fragen: „Was kann ich beim nächsten Mal vielleicht anders machen?“ Bei allen Übungen zur positiven Ausrichtung des Mindsets sei es wichtig zu akzeptieren, dass es sich um einen Prozess handelt, der dauert – doch dieser kann bereits mit kleinsten Änderungen im Alltag in Gang gesetzt werden.
  • Wir sind nicht unsere Gedanken: „Dieser Punkt ist sehr wichtig zu verinnerlichen“, sagt Dorith. „Die meisten Menschen identifizieren sich stark mit ihren eigenen Gedanken und sind davon überzeugt, dass jeder zweifelnde Gedanke die absolute Wahrheit ist. Da unsere Gedanken jedoch stark von unserer Prägung und der eigenen Geschichte beeinflusst werden und lediglich unsere eigene Realität beschreiben, ist es häufig angebracht, die Gedanken mal zu überprüfen.“ Ein Tool dafür ist die Arbeit an Glaubenssätzen, über die wir bei Genki bereits einen ausführlichen Artikel veröffentlicht haben.

Welcher Weg für dich besonders gut funktioniert, darfst du für dich selbst herausfinden. „Wir sind alle individuelle Wesen und daher ist auch jeder ‚Heilungsweg‘ individuell“, sagt Dorith.

Was hilft sofort, wenn dich Selbstzweifel lähmen?

Die gerade erklärten Strategien erfordern Zeit und etwas Arbeit an dir selbst – doch was kannst du tun, wenn du im Alltag merkst, dass dich die Selbstzweifel gerade übermannen und sogar lähmen? Gibt es SOS-Tipps? „Es hilft, ‚Stopp‘ zu den eigenen Gedanken zu sagen oder gern auch ein Stopp-Zeichen vor dem eigenen Auge zu visualisieren, falls das hilft“, rät Dorith. „Wichtig ist es, erst einmal die kontraproduktive Dramaschleife im Kopf zu unterbrechen.“

Vielleicht hilft es dir auch, dieser negativen und kritischen Stimme einen lustigen Namen zu geben. Dorith hat außerdem die Idee, dem inneren Kritiker im Kopf – falls das zu dir passt – eine lustige Stimme zu geben. „Vielleicht Walisch à la Dori aus dem Film ‚Findet Nemo‘ oder einfach eine Stimme, die ein paar Oktaven höher oder tiefer spricht“, schlägt sie vor. „Ich bin immer dafür, vieles mit Humor zu nehmen und wenn man auf diesem Weg schon mal über die eigenen Gedanken lachen kann, ist man plötzlich sehr viel handlungsfähiger.“

Wenn dich das Gedankenkarussell gerade ganz hart erwischt, könne es auch helfen, die Situation physisch zu verlassen und etwas Ablenkendes zu tun. „Raus in die Natur, auspowernder Sport, Telefonieren mit einem Herzensmenschen, wild durch die Wohnung Tanzen, Hüpfen – was auch immer gerade guttut und ablenkt, um den Kopf mal aus der Negativspirale zu holen.“

Was du aus Selbstzweifeln lernen darfst

Auch wenn wir jetzt viel darüber gesprochen haben, wie du Selbstzweifel loswirst, so sind diese nicht nur negativ. „Sie können tolle Wegweiser für uns sein, die uns unsere Themen aufzeigen oder sie können ein Hinweis sein, unsere aktuelle Marschroute noch einmal zu überprüfen – als eine Art Kompass“, sagt Dorith. Wichtig sei es, dass die Zweifel nicht über uns bestimmen, sondern dass wir entscheiden, was wir mit ihnen anstellen.

„In meiner Arbeit arbeite ich sehr häufig mit diesem Thema und ich kenne Selbstzweifel selbst sehr gut“, so Dorith. Doch während Selbstzweifel sie früher davon abgehalten haben, Entscheidungen zu treffen und ins Handeln zu kommen, hat sich das Verhältnis nun geändert: „Heutzutage weiß ich, dass ich hinschauen darf, wenn der innere Kritiker mal wieder enorm laut wird und das hilft mir jedes Mal, mich besser kennenzulernen und herauszufinden, was gut für mich ist und welchen Weg ich einschlage.“

Selbstzweifel besiegen – langfristig und in SOS-Situationen
Dorith Kaiser ist Coach und Mentorin für Hochsensible. Sie hilft anderen Hochsensiblen dabei, Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl aufzubauen und permanente Selbstzweifel loszulassen. Mehr Infos über Dorith und ihre Arbeit findest du auf ihrer Website und bei Instagram.