
Was vorab wichtig ist: Jeder Mensch ist unterschiedlich, jede hochsensible Person ist anders, jede Entscheidungssituation individuell. Deshalb kann es natürlich nie die pauschale Lösung für jede:n geben – doch das folgende Wissen gibt dir als hochsensible Person Anhaltspunkte, die Entscheidungen erleichtern. Isabella stellt zu Beginn klar: „Hochsensibilität ist für mich immer eine Superkraft – auch bei der Entscheidungsfindung.“ Also gehe die folgenden Tipps zuversichtlich und mit einer inneren Superheldinnen-Einstellungen an, dann ist der erste Schritt bereits getan.
Woran liegt es denn, dass es hochsensiblen Menschen oft schwerfällt, eine Wahl zu treffen? „Sie verarbeiten Informationen, Gedanken und Gefühle deutlich tiefer, intensiver, gründlicher und vernetzter als normal-sensible Menschen“, erklärt Isabella. „Sie denken und überdenken sehr tiefgründig, sind oft in der Lage, komplexe Zusammenhänge zu erfassen und tauchen gern ganz tief ein, um etwas begreifen und verstehen zu können.“ Das führt natürlich dazu, dass alle Optionen sorgfältig durchdacht und abgewogen werden wollen – und das verlängert den Entscheidungsprozess.
Die Entscheidungsfindung dauert nicht nur länger, sie fällt teilweise auch richtig schwer. Isabella nennt dafür weitere Gründe: „Der erste Faktor ist Anpassung“, sagt sie. „Meiner Erfahrung nach neigen die meisten Hochsensiblen zunächst dazu, sich eher anzupassen als aufzufallen. Somit werden Entscheidungen oft lieber abgegeben als selbst getroffen.“ Das Bedürfnis, es anderen Menschen möglichst recht zu machen, spielt für viele Hochsensible eine große Rolle. Die eigenen Wünsche werden hintenangestellt.
Hinzu kommt, dass die eigenen Bedürfnisse oft kaum gespürt werden, trotz oder gerade wegen der eigenen Hochsensibilität. Isabella zufolge lernen Hochsensible meistens schon als Kinder, dass mit ihren Empfindungen, Gedanken und Gefühlen etwas nicht stimmt. Weil sie auf kein Verständnis für ihre oft überwältigenden Gefühle stoßen, ordnen sie diese als „falsch“ ein und verlieren oft den Zugang zu ihnen. Das macht es natürlich später schwer, eine Entscheidung zu treffen, die den eigenen Bedürfnissen entspricht.
Und: Viele Hochsensible haben einen Hang zum Perfektionismus. „Wenn Hochsensible Entscheidungen treffen, dann wollen sie in den meisten Fällen das Risiko einer Fehleinschätzung, eines „Scheiterns“ oder einer Enttäuschung – sich selbst und anderen gegenüber – möglichst geringhalten“, sagt Isabella. „Sie haben oft einen überhöhten Anspruch an sich selbst, ihre Leistungen und Fähigkeiten.“ Das kann zu Perfektionismus führen, der einen schützenden Effekt haben soll – er soll davor bewahren, Fehler zu machen. „Denn wenn ich keine Fehler mache, mache ich mich auch nicht angreifbar für Kritik, Konflikte und damit einhergehende herausfordernde, möglicherweise auch überwältigende Gefühle.“ Doch wer immer nur perfekte Entscheidungen treffen möchte, schiebt diese immer weiter heraus.
Auch fehlender Mut kann in dieser Situation eine Rolle spielen. „Manches Mal lässt sich beobachten, dass Erwachsene gar nicht gelernt haben, mutig zu sein und etwas zu wagen, weil sie, wie bereits beschrieben, Entscheidungen aufgrund von Überangepasstheit meist abgegeben haben.“ Hier müssen alle Hochsensiblen erst einmal lernen, auf sich zu vertrauen und positive Erfahrungen sammeln, die sie darin bestärken, selbst Entscheidungen zu treffen.
Ein weiterer Faktor ist die Kommunikation der eigenen Bedürfnisse und Grenzen: „Ich höre sehr oft, dass sich Hochsensible von Familie, Freunden, Arbeitskolleg:innen unverstanden fühlen“, erzählt Isabella. Das führt dazu, dass Selbstsicherheit und Selbstvertrauen nicht besonders gefestigt sind – und das wären wichtige Punkte beim Treffen klarer Entscheidungen.
Die Gründe haben wir jetzt betrachtet, natürlich hat Isabella Tools und Tipps, wie Hochsensible es trotzdem – oder erst recht – schaffen, Entscheidungen zu treffen und zu ihnen zu stehen.
Auch wenn du die Entscheidung mithilfe dieser Tipps getroffen hast: Es kann passieren, dass du dir noch lange die Frage stellst, ob die Entscheidung auch richtig war. „Bekommen Hochsensible beispielsweise nach einer Entscheidung Gegenwind im Sinne von anderen Meinungen oder spüren, dass andere mit ihrer Entscheidung nicht zufrieden sind oder konform gehen, dann kommt es je nach „Status“ des Selbstvertrauens sehr häufig vor, dass die eigene Entscheidung revidiert oder noch tagelang überdacht wird“, sagt Isabella. Je fragiler das Selbstvertrauen, desto anfälliger sind Hochsensible für solche Einflüsse von außen. „Sind Hochsensible aber schon sehr sicher mit sich, hilft ihnen ihr vertieftes Fühlen und Denke, sowie alle anderen wunderbaren Eigenschaften von Hochsensibilität auch sehr, sich ihrer Entscheidung wirklich sicher zu sein und diese auch mit Argumenten nach Außen kommunizieren zu können“, so Isabella.
Wenn du als hochsensible Person lernst, Entscheidungen zu treffen und später zu ihnen zu stehen, dann bringt dich das im ganzen Leben weiter. „Wenn Hochsensible lernen, besser mit Entscheidungen umzugehen, dann lernen Sie sich in der Regel auf diesem Weg auch besser kennen“, sagt Isabella. „Sie lernen für sich einzustehen, selbstbestimmt zu handeln, sich selbst gegenüber bewusster – also selbst-bewusster – zu werden und reflektierter mit den jeweiligen Situationen umzugehen.“
Wenn du immer wieder die Erfahrung machst, dass du in der Lage bist, Entscheidungen zu treffen, deinen Mut unter Beweis stellst und deine eigenen Wünsche in diesem Prozess deutlich kommunizierst, macht dich das am Ende stärker. „Und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Ressourcen und Möglichkeiten kann weiter wachsen und sich entfalten“, sagt Isabella.