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Der Sinn des Lebens

Was die japanische Kultur uns lehrt
Text: Carina Rother
Fotos: Unsplash
15.04.2021
Japaner laufen auf Zebrastreifen
Freude und Fülle im Leben empfinden – Geht das einfach so?
Japaner gehen davon aus, dass die Freude im Leben nur entsteht, wenn man den Sinn des Lebens, sein Igikai, gefunden hat. Was ist der Sinn des Lebens und wie du ihn a la japanischen Lifestyle in deinen Alltag integrieren kannst.

Der Sinn des Lebens

Du spürst das Feuer in dir. Du weißt, warum du heute Morgen aufgestanden bist. Deine Augen leuchten. Du arbeitest mit Leidenschaft an deinem Projekt. Du bist ganz bei der Sache. Herausforderungen nimmst du mit Freude an? Du hast den Sinn deines Lebens schon gefunden, oder?

Jeder Mensch ist aus einem ganz bestimmten Grund hier – hier auf dieser Erde. Ein Grund der erfüllt, Glückshormone hervorruft, uns freudig aufstehen lässt. Welche Gründe können das sein? Töpfern, schreiben, Yoga lehren, Kinder hüten, Tee zelebrieren, Nonne sein, die Sterne erforschen, Autorennen fahren, über Dächer springen, Menschen glücklich machen. ALLES kann ein Warum sein.

Jede Seele hat sich ihren Körper bewusst ausgewählt, um eine individuelle Erfahrung zu machen. Jede Seele hat einen anderen Sinn des Lebens. Jede Seele weiß unbewusst, was sie erfüllt.

Fülle zu fühlen in den kleinen und großen Momenten des Lebens – das passiert, wenn du deinen Sinn des Lebens gefunden hast. Er ist eine Geisteshaltung, die uns durch das Leben begleitet. Fülle bringt Freude, Fülle lässt uns den aktuellen Moment wahrnehmen, Fülle bringt Genuss.

Der individuelle Weg.

Der individuelle Weg

Wie laden wir Fülle in unser Leben ein? Mit einer einfachen und gleichzeitig tiefgründigen Frage „Warum bin ich hier?“. Mit ihr beginnt der bewusste Weg für all jene, die ihren Sinn noch nicht gefunden haben oder ihn hinterfragen möchten. Die Voraussetzung dafür ist ein Bewusstsein für Spiritualität und die Bereitschaft tief in die eigene, innere Welt zu blicken.

John Strelecky schreibt in seinem Buch „Café am Rande der Welt“ dass es kein Zurück mehr gibt, nachdem wir uns einmal die Frage des Warum gestellt haben. Von der einen auf die andere Sekunde verändert sich etwas in uns: Wir spüren den Drang nach unserem Sinn. Wir gehen auf die Suche.

Wie wir suchen – auch das ist ganz individuell: Meditieren, Journaling, mit einem Coach oder aber auf eine spontane Antwort der inneren Stimme zu warten, indem wir Bücher lesen. Alles ist richtig. Nichts ist falsch.

Den Sinn des Lebens in den Alltag integrieren – auf japanische Art und Weise

Yeah, gefunden! Und jetzt? Wir blicken nun ca. 10.000km östlich von uns – nach Japan. Japan ist ein aufregendes, verrücktes und gleichzeitig Regel-erfülltes Land. Von der japanischen Kultur können wir viel lernen.

Japaner – ein ausgeglichenes, friedvolles und überaus freundliches Volk. Sie gehen achtsam mit sich und ihrer Umgebung und ihren Mitmenschen um. So oder so ähnlich werden sie oft von außen wahrgenommen. Sie sind außerdem dafür bekannt ein langes Leben zu führen, mehrheitlich in purer Gesundheit. Wie kommt es dazu, dass eine Kultur über Generationen hinweg diese Eigenschaften bewahrt?

Damit du dir besser vorstellen kannst, wie es in Japan zugeht, folgt eine typische Szene aus Shibuya, Tokio: Die größte Kreuzung der Welt. 8 Ampeln, tausende von Menschen, Autos links und rechts, xy, die in ihren Laden einladen, farbenfrohe Werbeplakate, laute Musik. Was passiert? Jeder achtet auf den anderen, jeder nimmt sich zurück, jeder ist achtsam, die Straßen sind sauber. Was passiert nicht? Kein Rempeln, kein Meckern, kein grummeligen Gemüter oder Gesichter.

Das hat seinen Grund: Eine Vielzahl von ihnen hat ihren Sinn des Lebens gefunden. Sie leben ihr ikigai (Iki = leben, gai = Sinn). Wie das geht: Ken Mogi, Neurowissenschaftler und Autor, formuliert es in seinem Buch „IKIGAI – die japanische Lebenskunst“ die fünf Säulen des Igikai:

  • Klein anfangen

    Schon Hermann Hesse hat herausgefunden, dass in jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Und so sehen es auch die Japaner. Der erste Schritt ist magisch, der erste Schritt ist oft klein – vielleicht sogar unbeholfen, macht noch keinen großen Unterschied für die Umwelt. Aber es ist ein Anfang von etwas Großem – dem Sinn des individuellen Lebens.

  • Loslassen lernen

    Loslassen, nicht kontrollieren, im Flow sein, vertrauen: dir und der Welt. Erreichen wir diesen Zustand, dann fällt uns das Leben leicht. Außerdem sind wir bei jeder Tätigkeit mit dem Herzen dabei. Japanische Teemeister zelebrieren jeden einzelnen Schritt der Zeremonie. Sie lassen alles los und fokussieren sich auf ihr Handeln.

  • Harmonie und Nachhaltigkeit leben

    In Harmonie zu leben, bedeutet seine Mitmenschen und die Umwelt zu respektieren. Folglich achtsam mit ihnen umzugehen. Gleichzeitig das Bewusstsein zu schalten, wie nachhaltig das eigene Handeln ist.

  • Die Freude an kleinen Dingen

    Es ist so einfach, wie es klingt. Nach japanischer Lebensart ist es wichtig, sich über kleine Dinge – wie eine Blume am Straßenrand, eine herzliche Geste, einen kleinen Fortschritt bei der Arbeit oder die aufgehende Sonne – zu freuen. Diese Fähigkeit trägt maßgeblich zum Sinn des Lebens bei.

  • Im Hier und Jetzt sein

    Den aktuellen Moment annehmen, wie er ist. Mit dem gegebenen arbeiten. Im Kopf fokussiert sein auf das Hier und Jetzt. Zukunft und Vergangenheit ablegen.

Welche Säule fokussierst du bereits und welcher möchtest du noch mehr Aufmerksamkeit schenken? Es keine Hierarchie innerhalb der Säulen. Sie alle gleich wertzuschätzen und zu leben, das scheint das Geheimnis der Japaner zu sein.