„Wir haben unterschiedliche Nervensysteme im Körper. Ich spreche über das autonome Nervensystem.“ Dein autonomes Nervensystem ist nicht dafür verantwortlich, dass wir glücklich sind, sondern, dass wir überleben. „Ohne das Nervensystem funktioniert das Leben nicht." Es steuert die Arbeit der inneren Organe und reguliert unsere Innenwelt: z.B. Verdauung, Atmung, Herzschlag, Immunsystem, Körpertemperatur, uvm. Louisa nennt ein ganz konkretes Beispiel: „Wenn wir über die Straße laufen und ein Auto schnell auf uns zufährt, überlegen wir nicht lang, ob der Abstand doch reichen könnte, wir springen einfach zurück.“ Das ist der Reflex, überleben zu wollen.
„Vereinfacht gesagt haben wir drei Zustände des Nervensystems, in denen wir uns befinden können“, erklärt die Coach. Der Zustand von Kontakt und Kommunikation ist bedingt durch den ventralen Vagus. Das ist der Bereich, in dem wir uns wohl, verbunden und sicher fühlen. „Es ist auch der Zustand, in dem unsere Welt und alle Lebewesen häufiger sein sollten. Das ist mein Wunsch.“
Dann gibt es noch zwei Extreme: den Sympathikus, der für eine Kampf- oder Fluchtreaktion verantwortlich ist. „In der Kampf- oder Fluchtsituation wird ganz schön viel Energie gezogen, um aktiv flüchten oder kämpfen zu können“, macht Louisa verständlich. Das andere Extrem ist der Zustand des Shut-Down. „In diesem sind wir, wenn wir wirklich sehr erschöpft sind.“ Der Körper schaltet auf ein Minimum herunter und funktioniert nur noch auf Sparflamme. „Bevor der Shutdownzustand eintritt, versucht der Körper über Kämpfen und Fliehen Probleme und Herausforderungen zu bewältigen. D.h. vor jedem Shutdown steht Stress in unterschiedlichsten Formen."
Der Nervensystemzustand eines Menschen beeinflusst das gesamte Denken, Tun und Fühlen. Das bedeutet konkret: das Nervensystemzustand bestimmt unser ganzes Sein. Die Überlebenszustände sind für kurzzeitige Reaktionen auf bedrohliche Situationen ausgelegt. Umso dramatischer ist es, wenn sich das Nervensystem langfristig in den „Überlebenszuständen“ wie Flucht, Kampf oder Shutdown/Freeze festhängt.
Beginnt man an und mit dem Nervensystem zu arbeiten verändern sich:
„Leider hat unsere Gesellschaft mehrheitlich einen stark aktivierten Sympathikus“, macht Louisa deutlich. „Wenn wir uns die Welt anschauen, dann haben wir eine Tendenz zur Schnelllebigkeit, zu besser und mehr“, sagt sie, „Wenn ich das sage, merke ich schon, wie ich in die Anspannung komme, wie der Sympathikus aktiviert wird.“
„Wenn ich in einem dysregulierten Zustand bin, dann bin ich entweder im Kampf- oder Fluchtmodus oder im Shutdown, wie schon eingangs erwähnt“, erklärt Louisa, „Das bedeutet: Ich schlafe schlecht, weil soviel Cortisol und Adrenalin in meinem Körper ist. Durch die ständige Müdigkeit bin ich überreizt und lasse es in meinen Beziehungen aus. In diesem Zustand von Kampf oder Flucht ist kein rationales Denken mehr möglich: Kommunikation ist erschwert, Denken ist erschwert, ein Erklären ist erschwert. „Das hat zum Beispiel Auswirkungen auf unsere Beziehungen“, erklärt Louisa.
„Wenn du zu angespannt bist, hörst du auch nicht mehr“, ergänzt sie. „Du bist zwar da, aber du hörst einfach nicht mehr zu.“ Das liegt daran, dass der ventrale Vagus im sog. „Überlebensmodus“ nicht mehr aktiv ist, dieser ist unter anderem für das Hören mit verantwortlich.
Auch das Immunsystem ist von einem dysregulierten Nervensystem betroffen. „Wenn ständig in uns ein Cocktail aus Adrenalin und Cortisol herrscht, dann fährt das Immunsystem runter.“ Ebenso die Verdauung leidet. „Wenn wir verdauen sollte der Körper in den Ruhemodus schalten“, klärt die Expertin auf. „Das geht aber bei dem Hormoncocktail nicht.“
Louisa nennt einen weiteren Aspekt, der aus einer Dysregulation resultiert: die Drama-Sucht. „Wenn ein Paar an einem Wochenende eine Wellness-Auszeit nimmt, dann sucht sich die Person mit dem dysregulierten Nervensystem einen Drama-Moment. Warum? Damit das Nervensystem hochfahren kann, damit der Hormon-Cocktail im Körper aufrechterhalten bleibt.“ Oder die Person fängt einen Streit mit dem Partner an, denn der Körper merkt „Moment mal, diesen ruhigen, entspannten, regulierten Zustand kenne ich nicht.“ Das Schöne: Man kann lernen, die Stresshormone langsam zu reduzieren und die eigene Stresstolerant auszudehnen. „Wichtig ist hier wirklich langsam zu regulieren.“ Du schaltest im Auto ja auch nicht vom fünften Gang zurück in den ersten Gang, oder?
Das dysregulierte Nervensystem hat also Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Darum ist es so heilsam und wichtig, damit zu arbeiten, um langfristige Veränderungen im Leben zu spüren und zu erleben. „Wenn wir mit dem Nervensystem arbeiten, dann fangen wir nicht an, das komplette Leben zu verändern“, schildert die Coach. „Wir bringen uns vielmehr bei, dass wir selbst halten können, was da ist, dann verändert sich allein die Perspektive.“
Hochsensible besitzen ein außergewöhnlich feines Nervensystem, das auf subtile Reize und Empfindungen intensiver reagiert als bei Normalsensiblen. Dies ist eine einzigartige Gabe, die es ermöglicht, die Welt auf tiefere und feinfühlige Weise zu erleben. Dennoch kann es auch zu Herausforderungen und Unwohlsein führen, insbesondere wenn es um Stressbewältigung und emotionale Stabilität geht.
„Ich habe mir schon oft die Frage gestellt, wie es überhaupt zur Hochsensibilität kommt“, beginnt die Expertin. „Denn auch ich habe Tendenzen zur Hochsensibilität.“ Louisa hat eine Vermutung: „Wenn wir uns die Hochsensibilität in Verbindung zum Nervensystem anschauen und wie es sich entwickelt, dann finde ich Folgendes sehr spannend: Das Nervensystem entwickelt sich im Mutterleib und in den ersten vier Lebensjahren. Ein Baby oder Kind in diesem Alter kann sich aber alleine nicht regulieren oder beruhigen.“ Das heißt: Es braucht immer eine Bezugsperson wie die Mutter, den Vater oder die Großeltern. Es braucht ein anderes Nervensystem.
Jetzt stellt sich Louisa die Frage: „Was ist, wenn das Baby oder Kind keinen adäquaten Co-Regulator hatte? Wenn das Nervensystem also ständig überreizt war, das Kind ggf. so lange geweint hat, bis es in den Zustand eines Shut-Down gekommen ist?“ Dann mussten die Kinder feinfühliger sein oder werden, um Situationen selbst regulieren zu können bzw. Situationen erst gar nicht eintreten zu lassen, die sie dysregulieren. Das trifft auch auf Kinder zu, die eine Bezugsperson mit einem dysregulierten Nervensystem hatten.
So kann es zu einer Hochsensibilität kommen. Nach aktuellem Wissenstand gibt es folgende Möglichkeiten, wie es zu einer Hochsensibilität kommt: Sie ist überwiegend angeboren, wird meist vererbt oder kann laut Persönlichkeitspsychologie durch traumatische Erlebnisse erworben werden. Für alle diejenigen, die das Gefühl haben, dass das eigene Nervensystem unterstützt werden sollte, gibt Louisa Tipps:
Auch Yoga kann helfen. Louisa ist Yogalehrerin – auch für Menschen mit Traumaerfahrung – mit einem eigenen Studio namens „Fuß über Kopf“ und gibt Menschen einen Raum für Entspannung, das in die eigene Kraft kommen, Ruhe zu finden und sich mit sich selbst zu verbinden. „Traumasensibles Yoga ist kein Yoga-Stil, ist eher eine innere Haltung“, betont Louisa. „Traumasensibilität ist meist hilfreich für alle Menschen. Es ist ein Synonym für Nervensystemfreundlichkeit. Ich versuche bei allem, was ich tue so nervensystemfreundlich wie möglich zu sein. Zum Beispiel sage ich niemandem im Unterricht direktiv „Schließe deine Augen.", sondern ich lade ein: „Wenn es sich stimmig anfühlt, kannst du gerne die Augen schließen oder dich noch ein bisschen im Raum orientieren und umschauen.“"
Yoga kann ganz grundsätzlich bei der Arbeit mit dem Nervensystem unterstützen:
Yoga kann nervensystemfreundlich angeleitet, dazu beitragen dazu beitragen, den Stress im Körper zu reduzieren. Durch die Kombination von Atemübungen (Pranayama), körperlichen Asanas und Meditationstechniken werden Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol gesenkt, was zu einem entspannteren Nervensystem führt.
Yoga kann dazu beitragen, das Gleichgewicht zwischen dem sympathischen (kampf- oder fluchtauslösenden) und dem parasympathischen (beruhigenden) Nervensystem zu fördern. Dies kann die Fähigkeit des Körpers verbessern, auf Stressoren angemessen zu reagieren.
Yoga fördert ein erhöhtes Bewusstsein für den eigenen Körper und Geist. Durch Achtsamkeitspraktiken lernen Menschen, ihre Körpersignale und Emotionen besser zu erkennen, was wiederum die Fähigkeit zur Selbstregulierung unterstützt.
Yoga kann die Entspannungsfähigkeit des Nervensystems verbessern, was zu besserem Schlaf führen kann. Yoga-Praktiken vor dem Schlafengehen können helfen, den Geist zu beruhigen und die Vorbereitung auf eine erholsame Nachtruhe zu fördern.
Durch Yoga können Menschen lernen, mit ihren Emotionen gesünder umzugehen. Dies kann dazu beitragen, das Nervensystem in emotional belastenden Situationen auszugleichen.
Der Vagusnerv spielt eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des parasympathischen Nervensystems. Yoga-Praktiken wie Atemübungen und bestimmte Asanas können dazu beitragen, den Vagusnerv zu stimulieren und die Entspannungsreaktion zu verstärken.
Yoga kann die mentale Klarheit und den Fokus erhöhen, was dazu beitragen kann, Stressoren effektiver zu bewältigen und die Produktivität bei der Arbeit zu steigern.
Wenn auch du mit deinem Nervensystem arbeiten möchtest oder herausfinden möchtest, in welchem Status sich deines befindet, dann hat Louisa ein wunderbares Journal und Workbook herausgebracht – mit dem ich übrigens selbst gearbeitet habe – und es dir sehr ans Herz legen kann. Du sparst mit dem Code "Genki" ausgezeichnete 10 Prozent. Wie großartig ist das?