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Bewusstsein statt Bikinifotos:

Was du von Sinnfluencer:innen lernen kannst
Text: Julia Felicitas Allmann
Fotos: Anija Schlichenmaier
19.08.2021
Melanie Faltermeier
Sinnfluencer:innen nutzen Instagram und Co., um wirklich wertvolle Inhalte zu verbreiten. Wir zeigen dir tolle Accounts und haben mit einer Sinnfluencer:in über den Trend und auch die Gefahren von Social Media gesprochen.

Es geht nicht nur um Beauty-Tipps, Urlaubsfotos oder aktuelle Foodtrends: Wer den richtigen Accounts folgt, findet bei Instagram wertvolle Inspiration, tiefgehende Inhalte und offenen Austausch zu wirklich relevanten Themen. „Sinnfluencer:innen“ sind angesagt – wir zeigen dir, was hinter dem Begriff steckt und wie auch du dich inspirieren lassen kannst.

„Sinnfluencerin zu sein bedeutet für mich, nicht „nur“ Werbe- oder Markenbotschafter:in zu sein, sondern über ein Thema aufzuklären, sich dafür einsetzen und damit eine gesellschaftlich positive Auswirkung zu erzielen sowie Bewusstsein für diese Themen zu schaffen“, sagt Melanie Faltermeier, die auf ihrem Kanal frau.elli
ihre Erfahrungen, Gedanken und ganz viel Wissen zum Thema mentale Gesundheit teilt. Sie bezeichnet sich als „Mental Health Advocate“ – und auch als Sinnfluencerin.

„Ich helfe meinen Follower:innen“

„Ich hatte eine Zeit damit gehadert, ob ich mich wirklich so nennen möchte. Aber dann habe ich selbst festgestellt, dass das, was ich mache, einen Sinn hat. Ich helfe Menschen bzw. meinen Follower:innen – zumindest gehe ich davon aus, dass mein Content hilft“, sagt sie mit einem Augenzwinkern.

Melanie ist Wirtschaftspsychologin und stark engagiert im Bereich Mental Health. Sie ist als Speakerin unterwegs, hat die Websites good-news-only.de und diewirtschaftspsychologinnen (mit-)gegründet – und sie geht die vermeintlich schweren Themen rund um psychische, mentale und seelische Gesundheit mit ganz viel Leichtigkeit und guter Laune an. Doch dabei kommen Tiefgang und Wissen nicht zu kurz

„Zum einen versuche ich mit Zahlen, Daten, Fakten die aktuelle Lage zu spiegeln und über psychische Erkrankungen aufzuklären. So möchte ich dafür sensibilisieren – schließlich kann jede:n von uns mal eine depressive Episode oder eine Anpassungsstörung ereilen“, sagt Melanie, die auch offen über ihre eigene Erfahrung mit Burn-Out und Depression spricht. „Zum anderen versuche ich, mich selbst so authentisch wie möglich – mit Höhen und Tiefen – zu zeigen. Ich poste, wenn ich bei der Therapie war, ich poste, wenn mich etwas bewegt – natürlich nicht 100% alles, um mal bei der Realität zu bleiben – und wenn mich etwas traurig macht.“

Kein Hochglanzbild vom perfekten Lifestyle

Es geht Melanie und den meisten anderen Sinnfluencer:innen eben nicht darum, ein glänzendes Bild von einem immer perfekten Leben abzubilden, in dem jede:r topgestyled in Seidenbettwäsche aufwacht, danach Granola mit Haferdrink frühstückt und später ein neues veganes Restaurant testet. Weg von Oberflächlichkeit, hin zu echtem Leben – so die Idee.

„Es gibt die ein oder anderen Bilder, die mich weinend zeigen. Es gibt mich ungeschminkt, es gibt mich geschminkt. Lachend, Tanzend, in allen möglichen Facetten, so realitätsnah wie möglich“, sagt Melanie. „Ich möchte die sozialen Netzwerke nicht mehr dafür benutzen, mich zu inszenieren, mich zu verstecken, nicht diesen Eindruck vermitteln, dass das Leben „Good Vibes Only“ ist.“

Sinnfluencer:innen geht es also um wertvolle Inhalte. Es geht ihnen darum, Wissen, ehrliche Geschichten und hilfreiche Inspiration zu verbreiten. Dabei können ganz verschiedene Themen zur Sprache kommen. Aus Melanies Sicht findet man Sinnfluencer:innen überall dort, wo Aufklärungsarbeit bei gesellschaftskritischen Themen betrieben wird. „Darunter fallen dann Themen wie eben das Klima, Sexualität, Rassismus, Diskriminierung, Feminismus, Misogynie, Gleichberechtigung, LGBTIQ+, Ableismus, Fair Fashion, Body Neutrality, Patriarchalismus, etc.“, so Melanie. „Aber auch ganz „normale“ Themen oder Tabus wie Menstruation, Schönheitsideale, Schönheitsoperationen, aufs Klo gehen, Pupsen, PMS, Endometriose, großer Penis, kleiner Penis.“

Wirklich? Anderen geht es auch so?

Das Spektrum ist also vielfältig, genau wie die inzwischen unüberschaubare Zahl an Sinnfluencer:innen bei Instagram und auch in anderen Netzwerken. Ein Tipp von Melanie ist Kim Hoss, die sich Inspirateurin und Edutainerin bezeichnet und bei der es unter anderem um Themen wie Beziehungen (zu sich selbst und anderen Menschen), Perioden-Unterwäsche, verzerrte Frauenbilder, Selbstakzeptanz, Nachhaltigkeit sowie ihre eigene Kunst geht. „Durch ihre wunderschöne Art und Interaktion mit der Community behandelt sie oft solche Themen, bei denen ich mir dann auch denke „Wirklich? Anderen geht es auch so? Ich bin damit also nicht allein. Danke, Kim“, sagt Melanie.

Wir haben noch ein paar andere Accounts von Sinnfluencer:innen zu verschiedenen Themen für dich zusammengestellt – hier findest du Inspiration zu Nachhaltigkeit, Feminismus, Diversity und Body-Neutrality:

  • Louisa Dellert begann als Fitness-Influencerin, inzwischen geht es auf ihrem Instagram-Kanal und im Podcast um Politik, um Diversity, um Klimaschutz – um viele Themen, die mit bewusstem Leben zu tun haben. Viel Inspiration, Wissen und auch mal Provokation inklusive.

  • Bei Wastelandrebel geht es komplett ums nachhaltige Leben. Shia Su zeigt, wie du es schaffst, klimafreundlicher zu essen, weniger Müll zu produzieren und so frühstückst, dass es dir und dem Planeten gut tut. Alles mit schönen Bilder und ganz viel guter Laune.

  • Wenn dir Feminismus und ein positives Body Image am Herzen liegen, bist du bei Melodie Michelberger

    richtig. Mit ganz viel Lachen und Leidenschaft setzt sie sich für all diese Themen ein und es macht richtig Spaß, ihr dabei zu folgen.

  • Vermutlich hast du den Buchtitel „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen – aber wissen sollten“ schon einmal gehört. Alice Hasters hat den Bestseller geschrieben und setzt sich auch bei Instagram für den Kampf gegen Rassismus und Gleichberechtigung auf allen Ebenen ein. Unbedingte Empfehlung für Wissen, Bewusstsein und Inspiration.

  • Erinnerst du dich noch an Marie Nasemann von „Germanys Next Topmodel“? Das Model hat sich inzwischen dem Thema Fair Fashion verschrieben und postet bei Instagram viele wissenswerte – und gleichzeitig schön anzusehende – Inhalte zum Thema nachhaltige Mode, Feminismus und neuerdings auch Familienleben. Schau doch mal rein.

Wie du Instagram wirklich sinnvoll nutzt

Auch wenn all diese Accounts das Gefühl vermitteln könnten, Instagram sei ein Ort des sinnvollen Austauschs, der ehrlichen Worte und der echten Authentizität: Daneben gibt es natürlich auch noch all die Fotos, Videos und Storys, die eher ein ungutes Gefühl in uns zurücklassen. Die uns neidisch machen, die uns irgendwie triggern, über die wir uns innerlich aufregen. Wie können wir Social Media für uns selbst so gestalten, dass uns die Netzwerke weiterbringen, statt uns nur hineinzuziehen und unruhiger zurückzulassen?

„Entfolge Accounts, die in dir schlechte Gefühle auslösen – im Sinne von Vergleichen, Neid, Sehnsucht, etc.“, sagt Melanie. „Selbst, wenn es Freunde sind. Das hat nichts mit der Person an sich zu tun, denn diese kann ja im realen offline Leben noch immer mit dir befreundet sein. Aber es geht darum, eine Medienkompetenz aufzubauen.“ Natürlich kannst du auch Accounts folgen, auf denen es nur um schöne Urlaubsfotos geht. „Früher war ich neidisch, weil ich dachte „Oh Mann, jetzt sind die schon wieder im Urlaub“, erzählt Melanie. Ich habe den Neid hinterfragt und mich gefragt, was ich dagegen tun kann. Wo bin ich selbstwirksam?“

Vielleicht kannst du den Neid in Inspiration umwandeln? Oder dir klarmachen, dass auch zwischen den schicken Fotos im Leben der Menschen dahinter vieles passiert, das nicht hübsch genug ist, um auf einem Hochglanzfoto zu erscheinen? Instagram wird manchmal als Highlight Reel bezeichnet, also als Zusammenstellung der tollsten Momente und Erfahrungen. Doch der Großteil des Lebens spielt sich dazwischen ab – wer das im Kopf hat, ist viel seltener neidisch.

Echter Austausch, persönliche Geschichten

Und vor allem kannst du dich bei den für dich wertvollen Accounts auch auf den persönlichen Austausch setzen und die Menschen hinter den Fotos kennenlernen. Wir haben Melanie nach besonders schönen Erlebnissen im Kontakt mit ihrer Community befragt – und schon der erste Teil ihrer Antwort zeigt, wie tiefgreifend Instagram gehen kann: „Danke für die Frage. Das ist eine Frage zur Ressourcenaktivierung und lässt die ein oder andere Freundenträne kullern, weil diese schönen Erlebnisse mein Herz erfüllen“, sagt Melanie.

„Mir schreiben viele – darunter auch fremde – Menschen, die mein Video gesehen haben. Nicht nur, dass ich es sehr schätze, dass mir diese Menschen ihr Vertrauen und ihre Offenheit schenken. Ich verspüre auch großen Stolz und Ehrfurcht gegenüber diesen Menschen, denn ich weiß, wie schwer es ist, sich zu öffnen und seine größten inneren Zweifel, Ängste, Sorgen zu teilen, weil wir denken, wir werden dafür verurteilt.“ Viele von uns würden denken, wir müssten dauerhaft gut drauf sein, um gesellschaftstauglich zu sein. „Dabei ist Verletzlichkeit der beste Weg, um Mut zu messen.“

Viele Sinnfluencer:innen sind mutig, weil sie anfangs neue Wege gehen und andere Inhalte posten als der Rest der Instagram-Bubble. Aber dabei muss auch klar sein: Viele der erfolgreichen Accounts sind richtig hübsch anzusehen, sie sind abgestimmt auf die Anforderungen des Netzwerks, sie folgen einem einheitlichen Look und verbreiten Selfies, Sprüche oder Reels wie alle anderen Accounts.

Nur, dass sich die Inhalte unterscheiden. Und genau deshalb sind viele dieser Sinnfluencer:innen so erfolgreich und so wertvoll: Weil sie es schaffen, die Tools und beliebten Looks von Instagram zu nutzen, um ihre Inhalte zu verbreiten – auch wenn es oft schwere Themen sind, fällt es uns als Follower:innen auf diese Weise leichter, sie zu konsumieren. Und im Idealfall lassen sie uns etwas klüger, inspirierter oder sogar glücklicher zurück. Weil wir merken, dass wir mit unseren Gedanken, Herausforderungen und unserer Sicht auf die Welt nicht allein sind.